Bilinguale Schule in Israel: Kids feiern Ramadan und Pessach

Die Jad-Bejad-Schule in Jerusalem praktiziert ein friedliches Zusammenleben. Junge Israelis und Palästinenser lernen hier gemeinsam. Spenden finanzieren das Projekt.

Manche schmeissen Steine, andere gehen doch lieber gemeinsam mit israelischen Kindern in eine Schule Bild: dpa

JERUSALEM taz Die beiden elfjährigen Freundinnen, Michal Levian und Schiras Chatab, sind sich über die Ursachen des Nahostkonflikts einig: "Die Juden sagen, dass ihnen das Land gehört, und die Araber sagen, dass sie zuerst da waren." Einzige Lösung, und auch hier stimmen die Jüdin Michal und ihre palästinensische Mitschülerin Schiras überein, ist, dass "Juden und Araber zusammen hier leben". Warum das so schwer sein sollte, wollen sie nicht einsehen, schließlich "haben wir hier doch zwei Lehrer in jeder Klasse und zwei Direktoren für die Schule", da müsse es doch möglich sein, auch den Staat von "zwei Premierministern regieren zu lassen".

Michal und Schiras, die kaum drei Kilometer voneinander entfernt wohnen, hätten sich sicher nie kennengelernt, würden sie nicht auf dieselbe Schule gehen. "Jad Bejad", zu Deutsch: "Hand in Hand", so heißt das einzige bilinguale Erziehungsinstitut in Jerusalem, in der jüdische und arabische Knirpse gleich auf beiden Sprachen das ABC büffeln. Diese Woche ziehen Lehrer und über 400 Schüler in neue Räume, ein Zehn-Millionen-Euro-Projekt auf gut 5.000 Quadratmetern. Die Gelder akquirierte die "Jerusalem-Stiftung" bei privaten Spendern auch aus der Bundesrepublik. Die österreichische Regierung hat die Bibliothek finanziert und der Schweizer Kanton St. Gallen die Pausenhalle.

Das neue Schulgebäude liegt auf halbem Weg zwischen dem jüdischen Stadtviertel Katamon, Michals Zuhause, und dem arabischen Dorf Beith Safafa, wo Schiras lebt. Ein bisschen anstrengend findet es die dunkelhäutige Michal mit dicken schwarzen Locken manchmal schon, wenn sie Schiras zu Hause besucht und "von den Leuten so seltsam angestarrt wird", weil die Mädchen miteinander hebräisch reden. Angst habe sie jedoch noch nie verspürt. Umgekehrt hat die zarte und eher hellhäutige Schiras, die mit Vorliebe auf ihrem silbernen Halskettchen herumbeißt, kein Problem damit, dass Michals 19-jährige Schwester demnächst zum Armeedienst eingezogen wird.

Ein Geheimnis des so erfrischend normalen Zusammenlebens der jungen Juden und Araber ist, dass sie in den gemeinsamen Alltag hineinwachsen. Die meisten Schüler kennen sich schon vom Kindergarten, wo sie von Erzieherinnen beider Kulturen und in beiden Sprachen beaufsichtigt wurden. Alle Schüler gehen gemeinsam in die Ferien, egal ob Pessach, Ramadan oder Weihnachten gefeiert wird, und alle sind mit der Religion und der Tradition des anderen vertraut.

"Nur den Heldengedenktag feiern die Juden unter sich", erklärt die 30-jährige Ariig Schalabi, arabische Lehrerin einer 4. Klasse. Alle anderen Feiertage werden zusammen begangen, wenn auch bisweilen mit unterschiedlicher Betonung. So denken die arabischen Schüler "an die arabischen Opfer der Nakba (Vertreibung)", wenn die Sirenen am Holocaustgedenktag losgehen.

Ariig versucht zusammen mit ihrer jüdischen Ko-Lehrerin durch Spiele und regelmäßig veränderte Sitzordnung die Gruppen miteinander zu vermischen und den Klassenzusammenhalt zu stärken. "Dass wir oft Lernstoff übersetzen müssen, damit wir sichergehen können, dass ihn alle verstehen, nimmt manchmal etwas mehr Zeit in Anspruch", räumt Ariig ein. Ihre Klasse sei in den Lehrbüchern "noch nicht ganz so vorangeschritten, wie wir eigentlich sollten".

Die Kinder auf dem Pausenhof sind rein äußerlich nicht zuzuordnen. Ob einer Jude oder Araber ist, stellt sich erst heraus, wenn er den Mund aufmacht.

Für Politik und Nachrichten interessieren sich die Kinder nicht. "Wer?", sagt Schiras auf die Frage nach ihrer Meinung über Ismail Hanijeh. Auch Michal hat noch nie von dem Chef der Hamas im Gazastreifen gehört. Heiraten würde Schiras allerdings nur einen Mann aus der eigenen Gruppe. "Der Islam ließe nicht zu, dass ich Muslimin bleibe, wenn ich einen Juden heiratete", sagt sie. Ihre Religion sei ihr nicht nur vertraut, sondern "das ist, was ich bin". Auch Michal findet es wichtig, dass "sich jeder erinnert, woher er kommt". Sie könnte sich an den Gedanken gewöhnen, einen Nichtjuden zu heiraten, vorausgesetzt, sie würde Jüdin bleiben. Jeder Mensch sollte "das bewahren, was ihn charakterisiert", meint sie.

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