piwik no script img

Champions LeagueNaiv in die Blamage

Bei der Niederlage im Champions-League-Spiel gegen Lazio Rom erweist sich Werder Bremen als international nicht konkurrenzfähig.

Frust gabs später noch für Diego: Der Bremer bekam gelb-rot nach einem Tritt in die Werbebande. Bild: dpa

ROM taz Mit gefrorenen Gesichtszügen stapften Thomas Schaaf und Klaus Allofs am Mittwochmorgen durch den Sicherheitscheck am Flughafen Ciampino in Rom. Der gedeckte Anzug und die getönte Krawatte saßen wieder akkurat, doch an den Bittermienen der beiden war abzulesen: Hier ist nichts in Ordnung, hier nagt der pure Frust. Schaaf und Allofs, seit 1999 bei Werder Bremen in der Verantwortung und Baumeister des hanseatischen Fortschritts, hatten schon am Vorabend sichtbare Mühe, die deprimierende Niederlage in der italienischen Hauptstadt zu verarbeiten. Im Stich gelassen von der kickende Entourage, die sich mit dem 1:2 bei Lazio Rom beinahe um alle Chancen in der Champions League brachte.

Das vierte Gastspiel in der Königsklasse hintereinander droht zur Blamage zu werden. An Siege gegen Real Madrid und Olympiakos Piräus glaubt selbst Allofs nicht mehr: "Das ist auf europäischem Niveau zu wenig. Wenn wir so spielen, gewinnen wir in der Champions League kein Spiel mehr." Der 50-Jährige sprach in schonungsloser Deutlichkeit an, woran es im halb vollen Olympiastadion alles mangelte: "Das war naiv, ohne Pepp, ohne die letzte Bereitschaft. Wir haben nicht erhärten können, dass wir es verdient hätten, eine Runde weiterzukommen." Konterkariert ist das fortwährende Bestreben, ein Team auch international voranzubringen, das nach der Überraschungsmeisterschaft 2004 immerhin 2005 und 2006 bis ins Champions-League-Achtelfinale vordrang.

Wenn es nun ganz dumm läuft, dann ist diesmal die Europapokalsaison zur Jahreswende beendet. Allofs stellte auch deshalb grundsätzliche Defizite am Bremer Behauptungswillen fest: "Es ist schade, dass es eine Diskrepanz gibt, was man will und kann, und was man davon umsetzt." Allofs: "Wir haben die Römer doch aufgebaut."

Ein ersatzgeschwächtes und angeschlagenes Lazio-Ensemble, das längst keine Stars von Weltruf, sondern italienische Normalo-Profis beschäftigt, deren Gehaltsobergrenze bei einer halben Million Euro (netto) liegt. Umso grotesker, dass gerade Werders Großverdiener, deren Bezüge jüngst üppig aufgestockt wurden, die Verlierer des Abends waren. Torwart Tim Wiese und Verteidiger Naldo zum Beispiel, die als dilettierendes Duo in Verkettung unglücklicher Fehleinschätzungen Tommasso Rocchi (57. und 68.) zwei Tore schenkten; entscheidende Genickschläge oder "katastrophale Gegentore", wie der (katastrophal schwache) Mitspieler Tim Borowski mäkelte. Und dann war da noch der komplett desillusionierte Diego, der nach einer Gelb-Roten Karte nun ausgerechnet für den Real-Schlager in zwei Wochen fehlt. Ein Schubser im Gedränge vor seinem verwandelten Elfmeter (88.), ein frustrierter Fußtritt in die Werbebande in der Nachspielzeit (90.+5) - schon hielt ihm der kroatische Schiedsrichter Ivan Bebek Gelb-Rot entgegen. Allofs fand es "nahe an der Lächerlichkeit". Begründung: "Da stimmt die Verhältnismäßigkeit nicht mehr, wenn einer zuvor zehnmal umgenietet wird."

Diego versäumt nun den Auftritt gegen seinen Traumverein, sein Duell gegen Kumpel Robinho. "Das war ein Fehler von mir, aber ich kann es nicht mehr ändern. Ich war sauer, ich war verärgert, dass wir alles verloren hatten", ließ der 22-Jährige seinen Dolmetscher Roland Martinez übersetzen, und die traurigen Augen sprachen Bände. "Ich bin froh, dass er nur gegen die Bande und nicht gegen einen Spieler getreten hat", kommentierte Schaaf den Diego-Aussetzer mit purer Ironie.

Warum sich sein Team bei einem Kandidaten, der in der Königsklasse gewiss keine Nachhaltigkeit hinterlassen wird, eine blutige Nase - in Person von Kapitän Frank Baumann (Nasenbeinbruch) - holte, konnte der Trainer nicht wirklich erklären: "Wir haben immer gehofft, dass der Motor irgendwann anspringen würde, aber das war nicht der Fall." Allofs kam da schon weiter: "Wir haben nicht mit dem nötigen Herz und nicht mit dem nötigen Verstand gespielt." Und daran ist nach seiner Ansicht auch der eben doch nur zweitklassige nationale Wettspielbetrieb schuld. "Vielleicht fiel uns mancher Sieg in der Bundesliga zu leicht." Wenn gegen deutsche Kleinkaliber Bielefeld, Duisburg oder Rostock der Schongang reicht, ist das gegen den Tabellenfünfzehnten der Serie A noch lange nicht genug. Eine Erkenntnis, zu der auch Clemens Fritz kam. "Wir haben über 90 Minuten fast alles falsch gemacht. Wir sind aufgetreten wie ich weiß auch nicht."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!