Kommentar Pakistan: Rückenwind für Taliban

Um die Proteste niederzuschlagen, muss die Armee Soldaten und Polizisten aus den Regionen abziehen, wo die Islamisten den Staat herausfordern.

Die militanten Islamisten sind die großen Gewinner im Machtkampf in Pakistan. Zwar müssen sie als Begründung für alle von Diktator Pervez Musharraf verhängten Repressionen dieser Tage herhalten. Aber der Ausnahmezustand, die Demonstrationsverbote, die Zensur und die Verhaftung tausender Oppositioneller treffen und schwächen nicht etwa Pakistans Taliban, sondern die liberal und demokratisch orientierte Mittelschicht.

Es ist geradezu pervers, wenn der am Freitag über die Oppositionspolitikerin Benazir Bhutto verhängte Hausarrest mit ihrem Schutz vor angeblichen Selbstmordattentaten begründet wird. Nicht die von Bhutto geführte Demonstration soll vor Anschlägen geschützt werden, sondern das Beschwören der Gefahr ist willkommene Begründung zur Ausschaltung des Protests. Um dies durchzusetzen und um die abgesetzten Richter, Anwälte und Menschenrechts- und Demokratieaktivisten in ihren Häusern unter Arrest zu halten, werden in den großen Städten Polizisten und Soldaten zusammengezogen. Sie werden aus den Regionen, in denen bewaffnete Islamisten den Staat herausfordern, abgezogen. Da die dort verbleibenden Soldaten inzwischen demoralisiert sind, haben Pakistans Taliban militärischen Rückenwind. Sie wissen, dass Musharraf derzeit nicht nur seine eigene Militärherrschaft demontiert, sondern dass er auch die politische Mitte schwächt. Die islamistischen Parteien, die sonst gern auf die Straße gehen, verhalten sich deshalb auch auffällig ruhig. Die bewaffneten Islamisten hingegen sind in den umkämpften Gebieten in der Offensive.

Musharraf hat einen Wahltermin genannt und erneut versprochen, bald sein Amt als Armeechef niederzulegen. Damit ist er den Forderungen des Westens nachgekommen. Doch diese Maßnahmen reichen nicht. Der Westen muss sich mehr für entlassene Richter, Aufhebung der Zensur und die Stärkung der Zivilgesellschaft einsetzen. Bisher ist er viel zu sehr auf Bhutto fixiert, deren frühere Regierungsführung korrupt war und die noch immer hofft, dass Musharraf die Macht mit ihr teilt. Die Zivilgesellschaft ist im Machtkampf zwischen Musharraf, Bhutto und den Islamisten das größte Opfer.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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