Kommentar Agrarreform: Wie man den Traktor wendet
Die EU-Agrarmilliarden fließen noch immer in die falsche Richtung. Daran ändert auch das geplante Reförmchen nichts.
D ie Ausgangsbedingungen für eine Agrarreform in der Europäischen Union sind so günstig wie seit langem nicht: eine hohe Nachfrage nach Lebensmitteln, neue Märkte für Bioenergie und in Frankreich ein frisch gewählter Präsident, der seine Basis weniger in der ländlichen Bevölkerung als in der Unternehmerelite seines Landes sieht. Doch im Vergleich zu dem, was Agrarkommissar Franz Fischler 1993 unter deutlich schlechteren Vorzeichen forderte, sind die Vorschläge der Barroso-Kommission äußerst zaghaft.
Es stimmt zwar: Fischlers Weichenstellung hat Wirkung gezeigt. Der Anteil des Agrarbudgets am EU-Haushalt nimmt seit Jahren ständig ab. Inzwischen teilen sich 27 Mitgliedsländer einen Topf, aus dem sich ursprünglich 15 Länder bedienen konnten. Doch die gestern veröffentlichten Subventionszahlen aus Brandenburg zeigen, dass der Traktor noch immer in die falsche Richtung fährt.
Da braucht es gar keine Skandalgeschichten über Golfplätze in Irland, die mit Grünlandprämien gefördert werden oder den Großgrundbesitz der Queen, der jährlich Millionen abschöpft. Es genügt ein Blick über den Zaun des nächsten Großbauern. 1,5 Prozent der Brandenburger Betriebe kassierten 2005 ein Viertel sämtlicher von Brüssel überwiesener Direktzahlungen - ganz egal, ob sie nachhaltig wirtschafteten oder nicht, Arbeitsplätze schafften oder abbauten. Daran wird auch das geplante Reförmchen wenig ändern. Ab 100.000 Euro Jahresprämie aufwärts sollen stufenweise ein paar Prozent vom Kuchen abgeschnitten werden. Und schon bei diesem Vorschlag schreit der deutsche Bauernverband schmerzgequält auf.
Niemand hindert Nicolas Sarkozy daran, wenn in der zweiten Jahreshälfte 2008 unter französischer Ratspräsidentschaft das Reformpaket ausformuliert wird, ehrgeizigere Ziele anzustreben. Sollte bis dahin der neue EU-Vertrag in Kraft sein, könnte er sich dafür sogar Rückendeckung aus dem EU-Parlament holen. Denn mit der Selbstbedienung der Regierungen ist es dann vorbei. Das Parlament darf mitentscheiden, wie die Agrarmilliarden ausgegeben werden.
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