Rechtsextremismus im Fußballstadion: Allein unter Nazis

Was tue ich, wenn ein Fascho am Spielfeldrand herumpöbelt? Bei einem Kongress in Halle zeigt sich, dass sich die unterklassigen Vereine mit dem Problem allein gelassen fühlen.

Ostdeutsche Stadien: Keine Oasen der Völkerverständigung Bild: dpa

Horst Mahler wird wegen wiederholten Zeigens des Hitlergrußes zu sechs Monaten Haft verurteilt, einem rechtslastigen Honorar-Professor aus Leipzig wird die Lehrlaubnis entzogen. In Mittweida ritzen vier rechtsextreme Kameradschaftler einer 17-Jährigen ein Hakenkreuz in die Hüfte. Die Wochenbilanz: Ein dem Wahn anheimgefallener Jurist, ein revisionistischer Dozent, vier tumbe Glatzen.

Das Spektrum des deutschen Rechtsextremismus ist vielfältig, in manchen Gebieten Deutschlands prägen seine Anhänger die Alltagskultur. Und da soll ausgerechnet der Fußball eine Oase der Völkerverständigung und der Toleranz sein?

Derzeit bewirbt die NPD parteiintern massiv die von ihrem Vorsitzenden Udo Voigt ausgerufene "Wortergreifungsstrategie". Die Aktivisten sollen in die Freiwilligen Feuerwehren gehen, sich in Elternbeiräte wählen lassen, um sich dort zuerst unauffällig zu verhalten, ehe es ans Missionieren geht. Auch der Breitensport Fußball soll gezielt unterwandert werden.

Auf dem von der Koordinierungsstelle der Fanprojekte (KOS) und dem "Bündnis für Demokratie und Toleranz" in Halle veranstalteten Kongress "Vereine stark machen" wurden Fallbeispiele vorgestellt: der F-Jugend-Trainer, der sich als ein wegen Propagandadelikten verurteilter Spitzenfunktionär der rechtsextremen Partei entpuppt; der NPD-Fanclub beim Regionalligisten; der von der Partei ins Leben gerufene Freizeitsportverein.

Und dennoch - als ein Referent davon sprach, der Fußball sei eher ein "Brennglas" denn ein "Spiegelbild" der Gesellschaft, brandete bei den etwa 80 Teilnehmern Applaus auf. Kein Handball-, kein Feuerwehrverein werde an den Pranger gestellt, wenn bei seinen Versammlungen ein Mitglied im T-Shirt einer rechtsextremen Bekleidungsfirma erscheine, hieß es. Im Fußball sei das sehr wohl so.

In der Tat scheint die Sensibilität mittlerweile nicht nur beim DFB, sondern auch beim Gros der Vereine geschärft. Doch die starke mediale (und oft marktschreierische) Begleitung des Themas ist bisweilen kontraproduktiv. Aus Angst, an den Pranger gestellt zu werden, getraut sich mancher Vereinsvertreter gar nicht mehr, die Initiative zu ergreifen: "Und wenn die Presse das mitkriegt?", fragte ein Vertreter aus Brandenburg, "wenn die Eltern ihre Kinder abmelden?"

In Hessen wie auch in den meisten anderen Bundesländern gibt es mittlerweile Instanzen, an die sich Vereinsvertreter wenden könnten, wenn sie Hilfe brauchen. In Sachsen, wo durchaus Bedarf wäre, erklärt sich das Land jedoch nicht für zuständig. Und auch manche Untergliederung des DFB in den Ländern ist "viel zu träge", so Volker Goll von der KOS. "Die stören sich eher an denen, die das Problem benennen, als an denen, die das Problem darstellen." Helmut Spahn, Sicherheitsbeauftragter des DFB, schien dann am Samstag auch entschlossen, eine bundesweite Anlaufstelle zu schaffen.

Es wird Zeit, denn die Geduld an der Basis scheint aufgebraucht. Als Steffen Kubald, Präsident des fünftklassigen Traditionsvereins Lok Leipzig, in einem der fünf Workshops den DFB angriff ("Ihr wälzt das Problem auf die Vereine ab"), stieß er bei seinen Kollegen auf Zustimmung. Ein Verein, der mit Mühe und Not eine Handvoll Ordner bezahlen könne, sei nicht in der Lage, Dutzenden zu erklären, warum sie ein Thor-Steinar-Sweatshirt ausziehen sollten.

Thor Steinar? Als in einem Referat erklärt wurde, warum zahlreiche Erst- und Zweitligisten das Tragen der aus dem rechtsextremen Spektrum stammenden Marke schon in ihrer Stadionordnung verbieten, flitzte bei manchem älteren Herrn der Kuli über das Papier. Doch nur etwa jeder fünfte der 80 Teilnehmer war tatsächlich von der Vereinsbasis, der Rest setzte sich aus Fanaktivisten und einschlägigen Projektvertretern zusammen, die sich zum Teil seit Jahrzehnten kennen. Vielen dieser "Tagungsprofis" (Goll) sind auch die kryptischsten rechtsextremen Codes geläufig: Sie kennen selbst die "14" (14 words; "we must secure the existence of our people and a future for white children"). Andere dagegen notieren noch aufmerksam, dass es sich bei der "88" um einen Code für "Heil Hitler" handelt.

Goll weiß, dass man einen langen Atem braucht, wenn man einen rechten Mainstream aufbrechen will. Als der gelernte Kickers-Offenbach-Fan Anfang der 90er genug von den antisemitischen Rufen im Stadion hatte, gab es gerade einmal elf Gleichgesinnte, die sich mit ihm an das Präsidium wandten. Zunächst erfolglos, denn die Herren waren wie die Krakeeler in der Kurve der Ansicht, dass es zum Fußball gehöre, die Frankfurter Eintracht als "Judenclub" zu diffamieren. Offenbacher und Frankfurter sind sich noch heute spinnefeind. Aber die rassistischen Rufe gehören der Vergangenheit an.

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