Kommentar Lesetest für Grundschüler: Hilfreicher Schock

Die Leseunterschiede werden geringer. Pisa war für Lehrerinnen und Eltern ein heilsamer Schrecken. Nur die Kulturminister blockieren noch wichtige Reformen.

Dass Deutschland mit seinen Grundschülern um zwei Rankingplätze aufstieg, ist, mit Verlaub, völlig egal. Selbst schuld, wer sich beim internationalen Lesewettbewerb Iglu von Tabellenplätzen betören lässt. Erfreulich und wirklich aussagekräftig sind andere Ergebnisse der Lesetests für Zehnjährige: Nicht nur die Kinder der Gebildeten legen zu beim Lesen, sondern auch die aus Elternhäusern, die wenig kulturelles Kapital mitbringen. Zudem gelingt in Grundschulen etwas, das weltweit danebengeht: Die Leseunterschiede zwischen Mädchen und Jungs werden geringer. Das ist der eigentliche spektakuläre Erfolg der kleinen Deutschen.

Dieser Erfolg hat Ursachen. Offenbar machen die Grundschullehrerinnen (es sind eben vor allem Frauen) einen guten Job. Die Forscher loben, es gebe keine andere Schulform, die sich so gründlich verändert wie die Grundschule - immerhin die einzig akzeptierte Gesamtschule in Deutschland. Und der zweite Grund des Erfolgs sind - die Mütter, Väter und Lesepaten. Sie haben verstanden, dass Leseförderung zu Hause machbar ist. Der ganze Pisastress, den das Land seit sechs Jahren erträgt, hat sich gewissermaßen gelohnt. Man muss sich vergegenwärtigen: Als Pisa das erste Mal das Land der Dichter zu einem der funktionalen Analphabeten stempelte, waren die jetzt erfolgreichen Zehnjährigen gerade mal vier Jahr alt. Sie sind die erste Generation, für die Pisa kein Schock, sondern eine Chance war.

Es gibt also Leute, die aus dem Pisaschreck etwas gelernt haben, aber es finden sich - leider - auch viele Unbelehrbare. Das sind nicht etwa die armen 15-Jährigen, die beim nächsten Pisazyklus wieder abgemeiert werden. Nein, Iglu ist so etwas wie ein Verweis, ein Klassenbucheintrag für die Konferenz der Kultusminister (KMK). Sie ist es, die wichtige Reformen blockiert, die doch offensichtlich möglich wären. Die Liste der Fehlleistungen reicht von der Weigerung, über veränderte Lehr- und Schulformen nachzudenken (endlich auch in den Sekundarstufen!), bis hin zu einer völlig chaotisierten Lehrerbildung. Aber es ist, wie die deutschen Leseratten, ihre Eltern und Lehrer bewiesen haben, nicht zu spät. Come on, KMK, beweg dich! Dann klappt es auch mit Pisa.

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