Hertha verliert gegen Leverkusen: Lull und lall

Hertha BSC fügt sich ergeben in sein Schicksal. Nach der Heimniederlage gegen Bayer Leverkusen regt sich nicht einemal das Publikum noch auf.

Bäriger Zuspruch: Hertha-Trainer Lucien Favre und das plüschige Vereinsmaskottchen Bild: DPA

Es kommt nicht oft vor, dass Hertha BSC Berlin 0:3 im Olympiastadion verliert, deswegen sollte man vom Trainer des hauptstädtischen Bundesligisten eine emotionale Reaktion erwarten dürfen: Trotz, Wut, Ärger oder gern auch dumpfe Aggression. Doch Lucien Favre war frei davon. Als komme er aus einem Seminar für fernöstliche Meditation parlierte der Schweizer über die Demütigung, die seine Elf gerade über sich ergehen lassen musste, lobte die Spielstärke des Gegners aus Leverkusen und gab an, hier und da ein paar gute Ansätze seiner Mannschaft gesehen zu haben. Er war so weit von einer Brandrede entfernt wie es der Dalai Lama im Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel war.

Hertha BSC - Leverkusen: 0:3 (0:1)

Die Tore: 0:1 Ramelow (31.), 0:2 Barnetta (50.), 0:3 Barbarez (90.+1)

Das Nichtor: Pantelic schlenzt in der 70. Minute den Ball zum 1:2 ins Netz, aber der Schiedsrichter hatte zuvor abgepfiffen, weil ein Leverkusener Pantelic am Trikot gezupft hatte.

Der reuige Referee: "Ich möchte am liebsten im Boden versinken, dass ich so einen Fehler gemacht habe. Ich habe zu früh gepfiffen": Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer nach dem Spiel.

Dezemberanalyse I: "Wir haben bei 19 Punkten noch zwei schwere Spiele bis Weihnachten": Abwehrspieler Malik Fathi freut sich nicht aufs Fest.

Dezemberanalyse II: "Es gibt eine klare, effiziente Analyse zu Weihnachten": Hertha-Trainer Lucien Favre erklärt, warum.

Schnell war man sich des Satzes gewahr, den Favre vor Saisonbeginn als düstere Mahnung formuliert hatte: "Die Mannschaft ist nicht bundesligatauglich." Der Satz scheint sich im Unterbewusstsein des Mannes eingenistet zu haben, wie sonst ist zu erklären, dass er das Nulldrei mit einer Ergebenheit hinnahm, die nur verwundern kann. Hat Hertha nicht große Ambitionen? Will der Klub 2010 nicht Meister werden oder zumindest ganz vorn mitspielen?

Etwas aufgewühlter präsentierte sich die Mannschaft. Kapitän Arne Friedrich betrat mit finsterer Miene die Katakomben, wurde im TV-Interview aber gleich wieder zum braven Burschen, den noch mustergültiger der spindeldürre Fabian Lustenberger gab. Er ist auf Empfehlung von Favre nach Berlin gekommen. Lustenberger sagte: "Wir sind nicht richtig ins Spiel gekommen, ich weiß auch nicht so genau." Seine roten Bäckchen leuchteten. "Wir müssen in den nächsten Wochen eben noch mehr arbeiten." Das war so lull und lall dahergesagt, wie Hertha BSC zuvor anderthalb Stunden lang Fußball gespielt hatte - im Stil einer Jugendmannschaft, die auf eine Erwachsenenelf trifft.

Die Laschheit, die Gewöhnung ans Mittelmäßige, hat sogar das Publikum erreicht. Zwar tönten in der 58. Minute "Wir ham die Schnauze voll"-Rufe aus der Hardcore-Abteilung, doch verstummten die Ultras bald wieder, während die Herthaner, wahrscheinlich vollends verunsichert, ihren Sicherheitsabstand zu den Leverkusenern noch einmal vergrößerten. Sie werden froh gewesen sein, dass die Fans ihren Unmut dann auf den Schiedsrichter projizierten. Der Referee hatte fälschlicherweise ein Tor von Marko Pantelic nicht anerkannt.

Auf dem Platz waren es nur wenige, die sich gegen die Niederlage stemmten, allen voran Stürmer Pantelic, der eigensinnig genug ist, auch in einem inferioren Team nach seiner Chance zu suchen. Nicht zu vergessen Josip Simunic, der trotzige Dribblings in die Spitze unternahm, sich aber doch nur verrannte.

Anders Bayer Leverkusen: Das Team ist im Schnitt nicht viel älter als das der Hertha, hat aber formstarke Altmeister in den Reihen. Torschütze Sergej Barbarez wurde von Coach Michael Skibbe über den grünen Klee gelobt, Carsten Ramelow schoss immerhin das 1:0, und Rückkehrer Bernd Schneider legte fein zum 3:0 auf. "Schön ist, dass sich unsere Mannschaft gut lenken und leiten lässt", sagte Skibbe. Navigieren lässt sich auch Hertha BSC. Bleibt nur die Frage, wohin die Reise geht.

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