Echte Männer im "Cosmopolitan"-Kalender: Sixpacks mit Softskills

Für den neuen Pin-up-Kalender der "Cosmopolitan" standen keine Stars Modell, sondern Normalos, die aussehen wie Stars - ein emanzipatorischer Akt?

So sollen auch unsere Männer von nebenan aussehen? Bild: dpa

Es soll in diesem Land Frauen geben, die Brad Pitt häufiger sehen als ihren eigenen Freund. Wollen sich diese Frauen Brad Pitt wirklich noch als Kalendermotiv ins Bad hängen? Die Erfahrung lehrt: Ja!

Jedes Jahr dürfen sich die Leserinnen des Frauenmagazins Cosmopolitan die Pin-up-Boys des Männerkalenders, der ab heute wieder dem Januar-Heft beiliegt, per Online-Abstimmung selber aussuchen - und am Ende fällt die Wahl dann auf Brad Pitt, gefolgt von Jude Law und George Clooney. Das Konzept hat seit Jahren Erfolg. Aber damit ist jetzt Schluss: 2008 gibts Karl-Heinz.

So nennt Cosmopolitan-Chefredakteurin Petra Gessulat den Mann von nebenan. "Einer, von dem man sich vorstellen kann, dass er der eigene Freund ist. Keiner aus irgendeiner künstlichen Welt", sagt sie. Karl-Heinz, das ist der Mann der Leserin. Und Gessulat macht nun einen Kalender aus ihm.

Nachdem in der Aprilausgabe zum ersten Mal der Aufruf "Pin-up-Boys gesucht! Wir wollen Ihren Mann" ergangen war, sendeten rund 300 Frauen ihre Ehemänner, Freunde, Brüder, "Sahneschnitten", Schwager und Kollegen ein. Im fünften Stock eines geschniegelten Gebäudes im Münchner Burda/Marquard-Medienpark liegen der Chefredakteurin die Karl-Heinze nun zu Füßen - stapelweise ausgedruckte Bilddateien.

Gessulat - blond, 1,80 Meter groß, Designerbluse, Jeans und Highheels - stützt sich mit den Fingerspitzen auf dem Schreibtisch ab und lässt den Blick über Brustwarzen, Pobacken und behaarte Schenkel schweifen. Drei Redakteurinnen und Hausfotograf Stefan May schieben prüfend Fotos herum. Es ist der Tag der Endausscheidung. Das sichere Ende für 288 Einsendungen.

Das Gröbste haben die Cosmo-Mitarbeiterinnen schon wochenlang in ihren Mittagspausen aussortiert. "Typen zum Beispiel, die ohne Unterhosen aufm Sofa in Berlin-Wedding rumfläzen", erinnert sich Fotochefin Ellen Reddy und rollt mit den Augen. Auch Bodybuilder und Berufsmodels flogen eiskalt raus. Denn, sagt Gessulat: "Wir wollen den natürlichen Mann. Von den Hollywoodstars waren wir einfach gelangweilt."

Doch hinter der großen Kalenderrevolution steckt nicht nur emanzipatorisches Gedankengut, sondern, gibt Gessulat schließlich zu, auch der Mangel an frischem Bildmaterial. Seit Brad Pitt zum weltrettenden Familienvater mutiert ist, gibts kaum neue Oben-ohne-Fotos von ihm. Da lag die Idee "real people" nah. "Im Playboy bewirbt sich schließlich auch nur die ganz normale Supermarktkassiererin", sagt Gessulat.

Und hier sind die Playmates nach der Endausscheidung: Dario, 24, aus dem toskanischen Montalcino, Freund von Waltraud und Weinproduzent. Der Typ Michael Stich mit Gewinnerlächeln und haarfreier goldbrauner Brust auf einer Sonnenliege. Seine Hobbys: Malerei, Sport und Klavier. "Softskills sind wichtig", sagt Gessulat. "Die Models im Cosmo-Kalender sollen sexy und sympathisch sein." So wie Götz, 28, Freund von Linda, Capoeira-Tänzer und Sportstudent. Das Bewerbungsfoto zeigt ihn nackt bis zu den Lenden hinter einer Spüle im Freien. "Mehr der niedliche Typ", kommentiert Ellen Reddy. Auch Christian, 26, von der Einsenderin "mein schnuckliger Schwager" genannt, kriegt von Gessulat das Okay - ein blonder Hüne mit DJ-Ötzi-Strickmütze und rasiertem Sixpack. Und Moritz Sinclair! Als einziger Farbiger rettet er den "ethnischen Mix" (Gessulat). Über seinem Eightpack baumelt mal ein Kruzifix, mal spannt der weiße Slip zwischen seinen gespreizten Beinen. Dafür bekam er die Wertungen "1*", "Jaaa!!!" und "Yes!", von der Vorjury auf den Fotoausdrucken vermerkt.

Noch erinnert diese Auswahl ein bisschen an die Aktfotos von Bild-Leserinnen. Aber Hausfotograf Stefan May massiert sich schon bildideenreich das Kinn. Er soll die Auserwählten vom Makel schlechter Hobbyfotografie befreien und "kunstvoll inszenieren" - am Tegernsee und in einer Hotelsuite. Bleibt die Frage: Wo ist Karl-Heinz? Alle Fotos zeigen gestählte, rasierte, solariumgebräunte Hollywood-Wannabes. "Übergewichtige oder Männer mit Beinen, so dünn wie Streichhölzer", fragt Gessulat, "wollen Sie das etwa sehen?" Auch wenn man sich nicht sicher ist - versprochen war genau das.

Nach Gessulats Prognose sieht der normale Mann in ein paar Jahren aus wie dem Kalender 2008 entsprungen. Denn die Cosmo-Leserin sei in der Hinsicht vielleicht Avantgarde - Zielgruppenbeschreibung: gut verdienend, selbstbewusst und "an abwechslungsreichem Social Life interessiert". Grundsätzlich gelte aber: "Die Selbstverständlichkeit, mit der Männer immer dachten, wenn ich nett, klug und witzig bin, kriege ich eine tolle Frau, gibts nicht mehr. Heute wollen Frauen einen ebenso attraktiven Mann, wie er sich seine Frau vorstellt." Und im Kosmos der Cosmo-Leserin heißt das: Diät, Fitness- und Kosmetikstudio - auch für Karl-Heinz.

Gessulat sieht darin "nur die logische Konsequenz der Gleichberechtigung" - für den Mann nicht nur "Druck", sondern auch "ein Zugewinn". Denn der müsse sich in Zeiten erodierender Rollenbilder ohnehin eine neue Rolle suchen, "eine, die zu ihm passt und auch zur Frau, die er begehrt". Nun soll und darf er auch ganz angstfrei Kalendermodel sein, Objekt sexueller Begierde. Ein Zugewinn? Wahrscheinlich hat man das den Frauen einfach immer nur falsch erklärt.

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