Streit über Beratungsstellen: Vor Pflege zu Pontius und Pilatus

Die Große Koalition streitet über die 4.000 geplanten Pflegeberatungsstellen. Die Union will lieber Gutscheine.

"Vorbereitung der Pflege die größte Belastung": Jung hilft Alt Bild: dpa

BERLIN taz Droht bei der Pflegereform trotz der Verabschiedung im Kabinett ein Endlosstreit wie bei der Gesundheitsreform? Von Einigkeit in der Koalition konnte jedenfalls am Freitag im Bundestag keine Rede sein.

Bei der Reform bestehe "Diskussionsbedarf in einigen Fragen", sagte Wolfgang Zöller, Vize-Fraktionschef der Union bei der Debatte über das Pflegegesetz. Man werde hier und da "noch nachjustieren müssen".

Was die Union an der Pflegereform ändern möchte, hat sie mehrfach deutlich gemacht: Es sind die Pflegestützpunkte, von denen nach den bisherigen Plänen bundesweit 4.000 entstehen sollen. Dort sollen unabhängige Berater den Angehörigen von Pflegebedürftigen bei der Wahl des richtigen Dienstes oder Altenheimes helfen.

Zu viel Bürokratie, beklagen sich inzwischen viele in der Union und wollen das Vorhaben kippen. Die Gesundheits- und Pflegeexperten der CDU, Annette Widmann-Mauz und Willi Zylajew, legten ein Alternativkonzept vor. Statt der Stützpunkte wollen sie Beratungsgutscheine für die Pflegebedürftigen. Die Gutscheine sollen einen Wert von 200 Euro haben und für vier Stunden Beratung zu Hause oder in einer Beratungsstelle reichen. "Wir wollen Beratung finanzieren und nicht neue Büros", begründet Widmann-Mauz das Modell. Denn in vielen Bundesländern, darunter Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, existierten bereits Anlaufstellen.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält das Gutscheinmodell der Union für einen "verrückten Vorschlag", den kein Wissenschaftler ernsthaft unterstütze. Dadurch würden lediglich die Anbieter wie die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, die Diakonie oder auch die privaten Betreiber von Pflegediensten und Heimen begünstigt, so Lauterbach. Denn sie bekämen bei einem Gutschein-Modell Geld, um Menschen über ihre eigenen Einrichtungen zu informieren. "Das ist keine unabhängige Beratung", sagte Lauterbach der taz. "Das läuft daraus hinauf, dass der Staat den Pflegeanbietern auch noch die Werbung bezahlt."

Auch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) verteidigte das Konzept der Pflegestützpunkte. "Viele Menschen beklagen, dass die Vorbereitung der Pflege die größte Belastung darstellt", sagte sie am Freitag im Bundestag. "Sie laufen von Pontius zu Pilatus, um die Pflege der Angehörigen zu organisieren." Deshalb brauche jeder, egal wo er wohnt, eine Anlaufstelle in der Nähe des Wohnorts.

Trotz des Zoffs: Einige Punkte der Pflegereform sind innerhalb der Koalition denn doch unstrittig. So werden die Leistungen aus der Pflegeversicherung erstmals seit 1995 erhöht, insbesondere in der ambulanten Pflege und für Menschen, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen ("Pflegegeld"). Im Gegenzug steigt der Beitrag im Juli 2008 um 0,25 Punkte. Wegen der steigenden Zahl der Pflegebedürftigen reiche dies aber nur bis 2015, stellte Gesundheitsministerin Schmidt am Freitag nochmals klar. "Über eine langfristige Finanzierung werden wir in der nächsten Legislaturperiode diskutieren müssen", sagte sie. Und bis dahin sei ja noch etwas Zeit.

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