Kommentar Streik: Paukenschlag vor Weihnachten

Die GDL hat die Tarifverhandlungen mit der Bahn abgebrochen. Das ist aus ihrer Sicht verständlich - aber die Sympathie in der Bevölkerung hat keine Ewigkeitsgarantie.

Kurz vor Weihnachten meldet sich die Lokführergewerkschaft GDL mit einem Paukenschlag zurück: Sie bricht die Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn AG ab. Und sie kündigt ab 7. Januar unbefristete Streiks im gesamten Bahnverkehr an. Die Drohkulisse ist damit aufgebaut: Schon in der ersten Arbeitswoche nach den Ferien zum Jahreswechsel könnte das Land stillstehen - und zwar so lange, bis die Bahn ein Tarifangebot vorlegt, das die GDL als verhandlungsfähig bezeichnet.

Die Lokführergewerkschaft fährt einen gefährlichen, aber aus ihrer Sicht verständlichen Kurs. Am Ende dieses außergewöhnlichen Konfliktes soll für sie ein eigenständiger Tarifvertrag stehen, mit dem sie sich auf ewig als Verhandlungspartnerin etabliert. Wenn nun die Bahn, so der Vorwurf, "erhebliche Entgeltbedingungen" aus dem Lokführertarifvertrag herausnimmt, muss sich die GDL provoziert fühlen. Die Streikdrohung ist dann die logische Folge; der unbefristete Streik der nächste logische Schritt. So eskaliert der Konflikt, in dem es schon mehrere befristete Ausstände gab.

Allerdings war die GDL klug genug, sich nicht in einen Streik über Weihnachten und Neujahr treiben zu lassen. Dieser hätte ihr sämtliche Sympathien in der Bevölkerung genommen, die gerade jetzt auf einen funktionierenden Bahnverkehr angewiesen ist, um ihre Verwandten zu den Festtagen zu besuchen. Dennoch sollte die GDL bedenken: Die Zustimmung in der Bevölkerung verdankt sie ihrer erfrischend hohen Lohnforderung; das Streben nach Eigenständigkeit und das Ausbrechen aus der gewerkschaftlichen Solidarität wird deutlich weniger honoriert.

Die angekündigte Streikpause von mehr als zwei Wochen bietet den Beteiligten genug Zeit, über das bisher Erreichte und die Folgen einer weiteren Eskalation nachzudenken. Gut möglich also, dass es Anfang Januar noch einmal zu neuen Tarif- oder gar Schlichtungsrunden kommt, die ebenfalls noch nicht die letzte Wendung in diesem Tarifkonflikt darstellen müssen. Viel wahrscheinlicher aber ist ein Streik bei der Bahn, wie ihn dieses Land noch nicht gesehen hat.

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Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.

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