Berlin sehnt sich nach Ruhe

Lärm gehört zur Stadt. Damit dies nicht unsere Gesundheit ruiniert, gibt es Pläne für mehr Ruhe. Doch was nutzt das, wenn immer mehr Geländewagen die Reifen quietschen lassen?

Lärm macht krank: Protestaktion gegen Lärmbelästigung vor dem Brandenburger Tor Bild: AP

Auch in Berlin heißt es heute wieder: Stille Nacht, heilige Nacht. Das mag für den Nachmittag, wenn die Geschäfte schließen, die Autos geparkt und Geschenke verpackt werden, durchaus zutreffen. Bis dahin aber wird Berlin laut sein. Zu laut.

Lärm ist ein Problem der Städte. Und es wächst. Bereits 2002 fühlten sich laut einer Studie des Umweltbundesamts 65 Prozent der Bevölkerung Deutschlands durch den Straßenlärm belästigt. Und das zu Recht. Wer dauerhaft einem Schallpegel von mehr als 65 Dezibel ausgesetzt ist, hat ein Herzinfarktrisiko, das um 20 Prozent höher ist als bei anderen Menschen. Nach dem Rauchen gilt Lärm als die wichtigste Ursache für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Berlins Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) hat im September erstmals Lärmkarten vorgestellt, die diese Gefahr für alle sichtbar machen. Demzufolge wird die gefährliche Schwelle von 65 Dezibel am Tage bei 273.000 Menschen überschritten. Nachts sind es sogar noch mehr, die unter dem Lärm leiden. Fast 340.000 Berliner müssen den für die Gesundheit ausschlaggebenden Schwellenwert von 55 Dezibel ertragen, 190.000 sogar einen Lärm von 60 Dezibel und mehr. "Die Lärmkarten dokumentieren, dass vor allem Menschen, die an Hauptverkehrsstraßen leben, vom Lärm betroffen sind", so Lompscher.

Bis Frühjahr nächsten Jahres will die Senatorin nun einen Entwurf für einen "Aktionsplan zur Lärmminderung" vorlegen. "Darin sollen vor allem Potenziale zur Lärmminderung identifiziert werden", sagt der zuständige Mitarbeiter der Senatsgesundheitsverwaltung, Horst Dickmann. "Dazu gehört das Auswechseln alter Straßenbeläge ebenso wie eine andere Straßenraumgestaltung", so Dickmann. Schon eine Vergrößerung des Abstands der Fahrbahn zur Bebauung von drei Meter würde eine spürbare Verringerung des Lärms bedeuten.

Doch nicht immer verhält sich der Verkehr so, wie die Planer es wünschen. Der Trend zu immer größeren Testosteronbombern im Geländewagenformat bedeutet auch breitere Reifen und damit ein höheren Fahrbahn-Reifen-Geräusch. Der Dauerverkehr auf den Hauptverkehrsachsen bedeutet außerdem, dass lärmmindernde Flüsterbeläge nur begrenzt eingesetzt werden - diese müssen nämlich regelmäßig abgesaugt werden, damit sie ihre Oberfläche behalten.

Hinzu kommt, dass der Verkehr in der Innenstadt inzwischen abgenommen hat, auf den Zufahrts- und Ausfallstraßen dagegen wächst. Die Grünen fordern deshalb den Mut zu "radikalen Lösungen". Seit langem schon plädiert die grüne Verkehrsexpertin Claudia Hämmerling für die Einführung sogenannter shared spaces in Berlin. Ohne Ampeln und Vorfahrtschilder - in der Schweiz und Holland längst getestet - sollen sich alle Verkehrsteilnehmer den Straßenraum teilen. Das ist nicht nur leiser, sondern auch sozial und kommunikativ. Einen Gang hoch fordern die Grünen dagegen, wenn es ums Getriebe der Autofahrer geht. "Ein Auto, das mit 4.000 Umdrehungen fährt, ist 32 Mal so laut wie eins mit nur 2.000 Umdrehungen", weiß Hämmerling.

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