Gespräche über Ostkongo: Konferenz soll Frieden schaffen

Nach einem verlustreichen Krieg gegen Tutsi-Rebellen und der Flucht von über 400.000 Menschen hat die Regierung eine Friedenskonferenz für den Osten des Kongos einberufen.

Überleben ungewiss: Kriegsflüchtlinge in den schlammigen Bergwältern von Nord-Kivu. Bild: ap

In der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu kontrolliert Kongos Regierung nur die Hauptstadt Goma und das Umland bis hinauf zur Kleinstadt Rutshuru sowie den Nordteil um die Großstädte Beni und Butembo. Weiter westlich in den Bergen um Masisi steht die Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) des Tutsi-Generals Laurent Nkunda. In den Wäldern um Walikale und Kanyabayonga herrscht vor allem die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas). Nkunda begründet seine Rebellion mit der vermuteten Unterstützung der FDLR aus Teilen von Kongos Regierung. Kongos Armee hat Nkunda bisher nicht besiegen können und auch nichts gegen die FDLR unternommen.

An der "Freien Universität" von Goma lässt sich das politische Klima im Osten der Demokratischen Republik Kongo gut ablesen. Nicht weit entfernt, am Kivu-See, liegt die Residenz des Provinzgouverneurs, das umliegende Viertel ist berüchtigt für Überfälle von Bewaffneten in den Abendstunden. Wenn sich die militärischen Spannungen erhöhen, leeren sich die Straßen zuerst hier.

In diesem Ambiente sollen demnächst 600 Vertreter aller politischen und militärischen Kräfte der ostkongolesischen Kivu-Provinzen sowie der Regierung beginnen, einen Friedensprozess für den Teil des Kongo einzuleiten, der am längsten unter Krieg und Gewalt leidet. Die für den gestrigen Donnerstag vorgesehene feierliche Eröffnung der "Konferenz für Frieden, Sicherheit und Entwicklung in den Provinzen Nord-Kivu und Süd-Kivu" wurde zwar kurzfristig auf den 6. Januar vertagt, um vorher noch förmliche Einladungen zu verschicken. Aber unzählige Teilnehmer sind schon da und haben Vorbereitungsgespräche aufgenommen.

Presseberichten nach kam es vor der Verschiebung der Konferenzeröffnung zu chaotischen Szenen am Flughafen von Kinshasa, als viel zu viele Politiker und Journalisten sich um die Flugzeuge nach Goma drängelten. So mancher designierte Konferenzteilnehmer fand keinen Sitzplatz und musste zurückbleiben. Geleitet werden die Beratungen vom Chef der kongolesischen Wahlkommission, Apollinaire Malu-Malu, einem der respektiertesten Politiker des Landes und selbst aus Nord-Kivu.

Die Idee zu einer Kivu-Friedenskonferenz war sehr kurzfristig in Kongos Hauptstadt Kinshasa entstanden, 2.000 Kilometer weiter westlich. Es war eine Reaktion auf die Niederlage, die Kongos Regierungsarmee am 11. und 12. Dezember in der Provinz Nord-Kivu erlitten hatte. 4.000 Rebellen des aus der Armee desertierten Tutsi-Generals Laurent Nkunda schlugen 20.000 Regierungssoldaten in die Flucht, nachdem sich diese in Nkundas Hochburgen in den Masisi-Bergen westlich von Goma vorgewagt hatten. Es war ein gigantisches Debakel nach den heftigsten Kämpfen im Kongo seit den Wahlen 2006.

Ende August 2007 war der Krieg zwischen Nkunda-Rebellen und Regierungstruppen um Nord-Kivu voll entbrannt. Kongos Regierung warf fast die gesamte Armee in den Krieg und unterstützte lokale Milizen. Aber nach dem vorläufigen Sieg der Rebellen stehen jetzt nur noch UN-Blauhelme in den Frontstädten Sake und Rutshuru zwischen Nkundas Einheiten und der Provinzhauptstadt Goma. Kongos Regierung ist mit ihrer "militärischen Lösung" gescheitert, nun soll eine politische Lösung her.

Doch die Organisatoren der Konferenz um Malu-Malu sowie Kongos Parlamentspräsident Vital Kamerhe, ebenfalls aus Ostkongo, wandeln auf einem schmalen Grat. Hardliner in Kinshasa mutmaßen, mit der Konferenz habe sich Nkunda durchgesetzt - schließlich ruft er seit Kriegsbeginn zum Dialog auf. Die Bevölkerung der Kivu-Provinzen, die 2006 noch massiv für Joseph Kabila als Präsident des Kongo gestimmt hatte, traut heute keiner Regierungsinitiative mehr. Die organisierte Zivilgesellschaft Nord-Kivus, für ihren ethnischen Extremismus bekannt, verlangt weiterhin Krieg gegen Nkunda und plant einen Boykott der Friedenskonferenz.

Nkundas Rebellenbewegung CNDP verhält sich widersprüchlich. Sie hat pünktlich zu Weihnachten einen einseitigen Waffenstillstand ausgerufen. Außerdem zogen sich Nkundas Kämpfer aus drei strategischen Vorposten in der Nähe von UN-Blauhelmpositionen zurück - als Beweis, dass sie keinen Sturm auf Goma planen. Es wird in Goma davon ausgegangen, dass die CNDP an der Konferenz teilnimmt. Aber auf ihren Internetseiten sprechen die "Nkundisten" von einem "programmierten Scheitern".

Eine der wichtigsten militärischen Fraktionen der Region, die einst aus Ruanda in den Kongo eingedrungene Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), ist gar nicht zu den Gesprächen eingeladen, obwohl sie ein Fünftel von Nord- und Süd-Kivu kontrolliert. Ohne ihre Entwaffnung wird auch der Tutsi Nkunda keinen Frieden mit Kongos Regierung schließen, denn er sieht die Hutu-Miliz als existenzielle Bedrohung für seine Bevölkerungsgruppe.

Aus FDLR-Hochburgen wird von verstärkten Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung berichtet, mit neuen Fluchtbewegungen nahe der Kleinstadt Kanyabayonga. Die gesamte Provinz Nord-Kivu erleidet derzeit die schlimmste Flüchtlingskrise weltweit, mit 437.000 neuen Vertriebenen allein dieses Jahr und 800.000 insgesamt - ein Sechstel der Gesamtbevölkerung. Die meisten von ihnen hausen unter dramatischen Bedingungen auf freiem Feld. Während der Kämpfe der letzten Monate waren zeitweise nur ein Achtel der Kriegsflüchtlinge überhaupt für Helfer erreichbar, und während der Großoffensive gegen Nkunda Anfang Dezember mussten die UN-Hilfswerke ihre gesamte Vertriebenenhilfe außerhalb von Goma einstellen.

Inzwischen hat sich die Lage verbessert, berichtet die Koordinierungsstelle für humanitäre Hilfe der UNO (Ocha) in Goma: Rund zwei Drittel der Vertriebenen seien für Hilfswerke zugänglich. Aber einzelne Hilfswerke berichten von Choleraepidemien und von verstärkter Rekrutierung von Kindern durch Milizen. Auch die Lebensmittelpreise schießen in die Höhe, weil hunderttausende Bauern von ihren Feldern verjagt worden sind.

Die Probleme, die in der Freien Universität von Goma zu lösen sind, gehen somit über die Notwendigkeit eines unmittelbaren Waffenstillstandes hinaus. Es geht um die Entwicklungsperspektiven einer komplett kriegszerstörten Region. Ob aus Kinshasa eingeflogene Politiker dabei hilfreich sind, wird von vielen Beobachtern bezweifelt. Ein Abschlussdatum haben die Organisatoren vorsichtshalber aus ihren Planungen gestrichen.

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