Kommentar Tatort-Proteste: Die Klage der Fischer

Der "Tatort" bemüht sich um Lebensnähe und muss nun damit leben, dass manche Zuschauer die Fiktion mit der Realität verwechseln - auch wenn das natürlich Quatsch ist.

Sonntagabends nach der "Tagesschau" geht das soziale Gewissen Deutschlands auf Sendung. Nebenbei werden im "Tatort" zwar auch immer mehr oder weniger komplizierte Kriminalfälle gelöst, doch geht es in der ARD-Reihe meistens um mehr als Mord: Verwahrloste Kinder, Menschenhandel, zerrüttete Familien - der "Tatort" gefällt sich darin, den Finger immer wieder in die Wunden unserer Gesellschaft zu legen und 90 Minuten lang genüsslich darin rumzupulen.

Für die betonte Lebensnähe der Krimireihe erhalten die Macher derzeit die Quittung: Zuerst protestierte Ende Dezember die alevitische Glaubensgemeinschaft gegen den NDR-"Tatort" "Wem Ehre gebührt", der von Inzest in einer alevitischen Familie handelt. Die Begründung: Der Film diffamiere die Glaubensgemeinschaft und leiste Diskriminierung Vorschub. Nun erregen sich auch noch die Bodenseefischer über den "Tatort" "Der Kormorankrieg", der am Sonntag ausgestrahlt wurde und in dem die in Wahrheit sicherlich ehrenwerte Berufsgruppe nicht sonderlich gut wegkam.

Inhalt und Handlungsablauf seien an den Haaren herbeigezogen gewesen, bemängelte der Chef des Landesfischereiverbandes Baden, und überhaupt sei der Konflikt zwischen Umweltschützern und Fischern am Bodensee im Film "vollkommen überspitzt" dargestellt worden.

Gut so. Denn von der Überhöhung lebt die Fiktion - nicht nur im Fernsehen. An Spielfilme - so lebensnah ihre Handlung auch sein mag - die gleichen Maßstäbe anzulegen wie an Dokumentarfilme, ist Unsinn. Zu viel Differenzierung langweilt das Publikum, und das ist doch das Letzte, was die Zuschauer von einem "Tatort" erwarten.

Wenn sie nicht gerade selbst im Mittelpunkt der Handlung stehen, sehen das Bodenseefischer und Aleviten wohl genauso.

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