Kommentar CDU-Wahlkampf: Konservativ, aber ungeliebt

In der Union scheint noch immer der Glaube verfestigt zu sein, Wahlen vor allem gegen Ausländer gewinnen zu können. Dabei übersehen sie, dass viele Deutschtürken stockkonservativ sind.

George W. Bush ist kein vorbildlicher Politiker. Eines aber könnten die deutschen Konservativen von ihm lernen: wie man die Stimmen einer Minderheit gewinnt, die die Konkurrenz für sich abonniert zu haben glaubte. Es ist nicht lange her, dass die Hispanics als Stammwähler der Demokraten galten. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen aber wählten sie mit rund 40 Prozent den Republikaner Bush ins Amt. In den USA ist es nicht ungewöhnlich, wenn Politiker bei Auftritten in Kalifornien oder Florida ein paar Brocken Spanisch reden. Man stelle sich vor, Angela Merkel oder gar Roland Koch würden bei einem Besuch in Duisburg oder Offenbach ihre Zuhörer mit "Merhaba" begrüßen. Aber sie kommen ja nicht einmal auf die Idee!

Dabei ist es kein soziologisches Geheimwissen mehr, dass viele Deutschtürken stockkonservativ sind. Sie hätten allen Grund, bei der Verkündung der familienpolitischen Leitlinien der CSU in der Passauer Nibelungenhalle fröhlich ihre - vielleicht mit Alkoholfreiem gefüllten? - Krüge zu heben. Dieses Wählerpotenzial ignorieren die Unionsparteien beharrlich. Dort scheint man davon überzeugt zu sein, dass "einem Moslem eher die Hand abfaulen wird, als dass er bei der Christlich-Demokratischen Union sein Kreuz auf den Wahlzettel macht", wie ein sächsischer CDU-Politiker einmal formulierte, ohne dass er wegen parteischädigenden Verhaltens vor die Tür gesetzt worden wäre. Wahlen gewinnt man nicht mit, sondern gegen Ausländer, lautet noch immer die Devise der Union. Das kann klappen. Ebenso gut möglich ist, dass die Deutschtürken in Hessen den Ausschlag dafür geben, dass Koch seine verdiente Strafe erhält.

Dass die Bild-Zeitung in den letzten Tagen zu längst überwunden geglaubten Tönen zurückfand, hat dagegen überrascht. Zuletzt schien sie ja ganz eigennützig darauf zu setzen, dass die Deutschtürken immer seltener zur Hürriyet und immer häufiger zu Springer-Produkten griffen. Dass Bild mit seiner Kampagne wieder Leser an die Hürriyet zu verlieren riskiert, könnte einem egal sein - wenn es nicht symbolisch die Wirkung solcher Debatten zeigen würde: zu polarisieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.