Niedersachsens Regierungschef Wulff: Auf der Hut vor dem hässlichen Hessen

Christian Wulff will sein präsidiales Mitte-Image vor Kochs Kriminalitätskampagne schützen. Seinen Wahlkampfauftakt inszeniert er als Integrationsparty.

Christian Wulff gibt sich präsidial - Kochs Rabaukenimage liegt ihm fern. : dpa

BRAUNSCHWEIG taz Als Christian Wulff auf der Bühne steht, sind schon ein deutsch-italienisches Schnulzenduo und ein singendes russlanddeutsches Geschwisterpaar aufgetreten. Sechs afrikanische Schlangenfrauen haben sich verknotet, und im CDU-Magazin, das im Foyer der Braunschweiger Volkswagenhalle ausliegt, können die Zuschauer das Interview mit dem türkischstämmigen Kabarettisten lesen. Gerade sagt Wulff, dass VW nie so großartig wäre ohne die Arbeiter aus aller Welt.

Nein, das hier ist wirklich nicht die Hessen-CDU von Roland Koch und seiner Ausländerangstkampagne. Beim Wahlkampfauftakt der niedersächsischen CDU in Braunschweig an diesem Samstag ist Ministerpräsident Wulff fast übertrieben darum bemüht, dass das hässlich-harte Image seines hessischen Kollegen nicht auf ihn abfärbt. Statt das große Bedrohungsszenario krimineller Einwanderer zu entwerfen, veranstaltet er eine Integrationsparty.

Noch eine Woche zuvor bei der CDU-Vorstandsklausur hatte Wulff genau wie die Kanzlerin Kochs Kampagne mitgetragen. In Braunschweig hat nun auch Angela Merkel aus ihrer Rede einige Schärfen herausgenommen, mit denen sie in Wiesbaden Stimmung machte. Sie sagt wieder, dass viele Menschen sich zwar eine subventionierte Theaterkarte und ein Nahverkehrsticket leisten könnten, sich aber nicht in die Bahn trauten. Doch den empörten Satz, dass die Minderheit nicht die Stimmung diktieren dürfe, hat sie gestrichen.

In Wulffs Rede fällt auf, dass er zwar die Jugendkriminalität direkt nach der Integration anspricht. Er rührt die Themen jedoch nicht zusammen wie Koch. Im Kriminalitätsteil kommt er nur einmal auf die Ausländer: Ihr Anteil unter den Straftätern sei rückläufig. Vorher hat sich selbst Innenminister Uwe Schünemann zurückgehalten - sonst spielt er Wulffs Kabinettsrowdy.

Im Integrationsteil seiner Rede sagt Wulff ähnlich wie Koch, wer ein friedliches und gemeinsames Zusammenleben nicht wolle, der solle gehen. Doch nicht danach platziert er die Pause für den Applaus, sondern erst, als er festgestellt hat: "Die meisten wollen das." In Niedersachsen lebten Menschen mit 195 Staatsangehörigkeiten, erklärt Wulff. Sie bereicherten Kultur, Wirtschaft und Politik. "Wir sind das erste Land, wo islamische Religionslehrer an der Universität ausgebildet werden."

Wulff lebt von seiner präsidialen Ausstrahlung. Er will bis weit in die Mitte wählbar bleiben. Auf seine Person hat die Partei den gesamten Landtagswahlkampf zugeschnitten. Kontroverse Themen wurden abgeräumt. So ließ er das Rauchverbot schon im August in Kraft treten, als der Wahlkampf noch weit weg war.

Nun zählt er Erfolge beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und die Verschuldung auf, sagt, wie viele neue Lehrer und Polizisten er eingestellt hat. Er will die Menschen beruhigen, nicht aufstacheln. Im Moment liegt er vorn, nach den aktuellen Umfragen könnten CDU und FDP ihre Koalition fortsetzen.

Wulff macht höchstens Sorgen, dass seine Wähler nicht zur Wahl gehen. Als Mobilisierungsthema hofft er auf alte Instinkte in der Seniorenunion: Bis zum Wahlsonntag sollen sie ihre Nachbarn vor der linken Gefahr warnen. "Die hießen davor WASG, davor PDS, davor SED und davor entweder Twix oder Raider", so der von der CDU gebuchte Radiokomödiant Dietmar Wischmeyer in Braunschweig. In seiner Rolle "Günther, der Treckerfahrer" darf Wischmeyer sich sogar über Koch lustig machen. In Hessen gehe es jetzt darum, wer die meisten Jugendlichen einbuchte. Niedersachsen sei da anders. "Wir sind ja ein offenes, freies Land."

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