Rücktritt im Kabinett: Italien vor neuer Regierungskrise

Justizminister Mastella tritt zurück. Der Grund: Ermittlungen wegen Erpressung und Vetternwirtschaft. So gerät die knappe Regierungsmehrheit von Premier Prodi in Gefahr.

Mastellas Rücktritt bringt auch Prodi in die Bredouille. Bild: dpa

ROM taz Nach dem Rücktritt von Justizminister Clemente Mastella ist Italiens Regierung erneut in schweren Wassern. Mastella vollzog diesen Schritt unter dem Druck staatsanwaltlicher Ermittlungen gegen ihn und seine Frau. Die Staatsanwaltschaft der süditalienischen Kleinstadt Santa Maria Capua Vetere hat vor allem die Ministergattin, die unter Hausarrest gestellt wurde, im Visier. Sandra Lonardo Mastella ist Vizepräsidentin des Regionalparlaments von Kampanien. Ihr Amt soll sie genutzt haben, um den Gouverneur der Region, Antonio Bassolino, zu erpressen. Konkret wird ihr - und dem Gatten - vorgeworfen, mit politischen Drohungen die Besetzung von Chefarztposten an Krankenhäusern und Managerstellen in staatlichen Regionalentwicklungseinrichtungen zugunsten eigener politischer Günstlinge gesteuert zu haben.

Mastella ist Chef der christdemokratischen Minipartei UDEUR, die auf 1,4 Prozent kommt, aber in Kampanien ihre Hochburg hat. Die Partei ist mit 23 Haftbefehlen - alle basieren auf dem Vorwurf, ungebührlichen Einfluss auf Postenbesetzungen und die Vergabe öffentlicher Aufträge genommen zu haben - bis ins Mark getroffen.

Jedoch sind die staatsanwaltlichen Vorwürfe dünn, jedenfalls für Süditalien. Die politisch-familiäre Beeinflussung von Einstellungen und öffentlichen Aufträgen ist dort ein von allen Parteien gepflegtes Geschäft. Erst recht erscheint die Konstruktion des Erpressungsvorwurfs kaum haltbar. Mit der gleichen Logik hätte die Justiz Mastella verfolgen können, als er den Posten der Präsidentin des Regionalparlaments für seine Frau ertrotzte.

Es erscheint deshalb als wahrscheinlich, dass der Fall im Sande verlaufen wird. Dennoch könnte er ein weiteres prominentes Opfer fordern: Romano Prodi. Seine Regierung regierte bisher mit der hauchdünnen Mehrheit von einer Stimme im Senat, und drei der Prodi stützenden Senatoren gehören zu Mastellas UDEUR.

Mastella hatte bereits in den vergangenen Monaten mit einer Regierungskrise gedroht, vor allem weil er eine Reform des italienischen Wahlrechts fürchtet. Über jene Reform verhandelt derzeit Walter Veltroni, der Chef der Demokratischen Partei und neue starke Mann des Prodi-Lagers, mit Oppositionsführer Silvio Berlusconi. Veltroni und Berlusconi sind sich vor allem darin einig, den Einfluss der Kleinstparteien zu begrenzen.

Eben dies will Mastella nicht hinnehmen, doch auch an dieser Front wächst der Druck. Denn das Verfassungsgericht billigte soeben ein Referendum zur Änderung des Wahlrechts, das im April oder Mai stattfinden wird, wenn das Parlament nicht zu einer Neuregelung kommt. Aber auch jenes Referendum wäre für die Kleinparteien fatal, da es auf die Stärkung der Großen zielt.

Mastella bietet sich ein womöglich attraktiverer Ausweg: der Auszug aus der Koalition, der eine Regierungskrise nach sich zöge. Schnelle Neuwahlen hätten einen für die UDEUR besonders angenehmen Effekt: Sie würden nach dem bisherigen Wahlrecht ablaufen und das Referendum blockieren.

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