Handball-Europameisterschaft: Sinnlose Ballerei

Beim 22:30 gegen Spanien zeigt das deutsche Team uninspirierten Standhandball. Die Probleme bei dieser EM liegen in der Verteidgung. Vor allem Pascal Hens schwächelt.

Geknickter Brand, schwacher Hens - das hatte sich das deutsche Team anders vorgestellt. Bild: dpa

TRONDHEIM taz Es war zu Szenen gekommen, die zuletzt selten bei den deutschen Handballern zu sehen waren. Einige Profis hatten sich in der letzten Vorrundenpartie EM gegen Spanien, als sich die 22:30-Niederlage abzeichnete, gegenseitig angeschnauzt. Der Leistungseinbruch kam jäh und unvermutet. Die zweithöchste Niederlage in der EM-Geschichte schockte den Weltmeister. Nun stellt sich die Frage, welche Spuren dieser Tiefschlag hinterlässt in der Hauptrunde, wo als erster Gegner heute Island wartet (16.20 Uhr, ZDF).

Die Handballer verbreiteten freilich bereits nach Schlusspfiff Zuversicht. "Wir werden wieder aufstehen", sagte Linkshänder Holger Glandorf, schweißgebadet. "Es liegt immer noch an uns", meinte Kapitän Markus Baur. "Wenn alles normal läuft, gewinnen wir alle drei Spiele und sind trotzdem im Halbfinale." Es wäre nicht das erste Mal, dass sie das schaffen. Bevor die Deutschen bei der EM 2004 und der WM 2007 jeweils den Titel geholt haben, hatten sie ebenfalls nach Vorrundenniederlagen bereits mit dem Rücken zur Wand gestanden. "Noch ist nichts passiert", sagt daher Bundestrainer Heiner Brand, "an unserer Ausgangsposition hat sich nichts verändert". Rechtsaußen Florian Kehrmann glaubt ebenfalls an die Wende zum rechten Zeitpunkt: "Wir gewinnen jetzt die drei Hauptrundenspiele und stehen dann im Halbfinale." Der Lemgoer erinnerte an die EM 2004, als man mit 1:3-Punkten in die Hauptrunde gestartet war. "Und am Ende waren wir Europameister."

Dennoch offenbart das deutsche Spiel viele Baustellen. Die 6:0-Deckungsformation um Abwehrorganisator Oliver Roggisch erreichte bislang noch nicht die Aggressivität aus dem Vorjahr; so kam das Team in der Vorrunde nur zu wenig Tempogegenstößen und leichten Toren. Größere Probleme bereitet die manchmal ratlos wirkende Offensive, die mehr unter dem Ausfall Oleg Velykys (Verdacht auf Kreuzbandriss) leidet als angenommen. Für gewöhnlich agiert der deutsche Angriff sehr variabel; als Deutschland Weltmeister wurde, lag das auch an der taktischen Überlegenheit der Angriffskonzepte gegen physisch überlegene Gegner wie Spanien oder Frankreich. Gegen Spanien verfiel das deutsche Team nun weitgehend in Standhandball, der leicht auszurechnen war. "Jeder hat den Ball im Stand angenommen und dann einfach aufs Tor geballert", bilanzierte ein selbstkritischer Kieler Christian Zeitz nach dem Zusammenbruch aller offensiven Systeme.

Wenn das Wurfwunder Zeitz sich nicht in Topform befindet, ist das erklärbar: Der 27-Jährige war lange an der Schulter verletzt, ihm fehlt die Matchpraxis. Dass aber der Halblinke Pascal Hens, genannt "Pommes", eine bisher schwache EM spielt, ist ein wahres Mirakel, denn der 2,03 Meter große Halblinke vom HSV Hamburg, traditionell eine Schlüsselfigur der deutschen Offensive, agierte in der gesamten Hinrunde der Bundesliga auf höchstem Niveau, entwickelte sich zu einer echten Führungsfigur und entschied eine Reihe von Spielen fast alleine. Warum Hens in Norwegen bisher blass blieb, ist auch Brand nicht erklärbar. "Ich weiß auch nicht. Es fehlt bei ihm ein bisschen die Dynamik, warum, weiß ich auch nicht. Vielleicht hat er ein bisschen seinen Rhythmus verloren", zeigt sich der 55-jährige Bundestrainer ratlos. Und natürlich ist die Unsicherheit auch bei dem Trainer groß. "Der Rückraum bestimmt das Spiel, deshalb muss man sich Sorgen um den Rückraum machen." Zumal ihm in den drei Spielen in drei Tagen - am Mittwoch wartet Titelverteidiger Frankreich, am Donnerstag Schweden - keine Trainingseinheiten mehr zur Verfügung stehen.

Hens hat traditionell Schwierigkeiten, in Turniere einzusteigen. Oft genug trumpfte der Rückraumstar erst im dritten oder vierten Spiel auf. Hoffnung also ist noch da beim Bundestrainer, wie auch bei Roggisch: "Noch ist nichts verloren. Wir haben bei der WM gelernt, dass wir mit einer solchen Situation umgehen können."

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