Wahlen in Hessen: Grüner Blinker in Richtung Ampel

Ein hessisches Rot-Grün könnte an den Grünen scheitern: Die jüngste Umfrage gibt ihnen magere sieben Prozent. Im Notfall will man die FDP in "Pflicht und Verantwortung" ziehen.

Gerne möchten die Grünen Rot-Grün 2.0. (im Vordergrund ihr Spitzenkandidat Tarik Al-Wazir), müssen aber notfalls um die FDP werben (im Hintergrund deren Spitzenkandidat Jörg-Uwe Hahn) Bild: dpa

BERLIN taz Die hessischen Grünen bedanken sich beim Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD - noch) für die Unterstützung im Wahlkampf. Indem Clement davon abriet, die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti mit ihrem Anti-Atom-und-Kohle-Kurs zu wählen, habe er bewiesen, dass die SPD in Klimadingen unzuverlässig sei, erklärt Omid Nouripour, Bundestagsabgeordneter aus Hessen.

Das Original seien eben doch die Grünen. Und mit den Hessen-Grünen und der Hessen-SPD, sagt Nouripour, "gibt es am Sonntag Rot-Grün 2.0". In Anlehnung an den Internet-Begriff Web 2.0 heißt "2.0" derzeit alles, was aussieht wie vorher, aber ganz neue Möglichkeiten bieten will. Und, na ja, in Bremen wird zwar seit Juni 2007 auch schon "rot-grün 2.0" regiert. Aber Bremen ist ein kleiner Stadtstaat. In Hessen soll dagegen noch einmal ein anderes Rot-Grün geboren werden. Nicht das alte Schröder-Rot-Grün, das die Ungleichheit in Deutschland nur vergrößert hat und wo die Grünen sich an Kohlepolitikern wie Clement abreiben mussten.

Doch könnte der Beitrag der Grünen zu einem rot-grünen Neustart in Hessen und weltweit auch sehr bescheiden ausfallen. So bescheiden, dass es für Rot-Grün nicht reicht: Seit Wochen sinken die grünen Umfragewerte. Laut jüngster Forsa-Zahlen für die Frankfurter Rundschau liegen zwar Roland Kochs Union und Ypsilantis SPD jetzt gleichauf bei je 38 Prozent. Die Grünen aber haben wieder 1 Punkt abgegeben und stehen bei nur mehr 7 Prozent. Bei der Hessen-Wahl 2003 hatten sie 10,1 Prozent bekommen.

Damals profitierten sie von der schwachen SPD. Jetzt ist die SPD stark, und sie zieht ihre Zusatzstimmen eben nicht nur von der Linken wieder ab. 38 plus 7, das ist noch keine Regierungsmehrheit.

Erst nach dreimaligem Ausrufen von "Rot-Grün!" gesteht die hessische Bundestagsabgeordnete Priska Hinz zu: "Falls das nicht klappen sollte, ist die FDP in der Pflicht und Verantwortung", eine rot-grün-gelbe Dreierkoalition zu bilden, die so genannte Ampel. Zwar scheint die FDP dazu nicht die geringste Absicht zu haben. Doch eine rot-rot-grüne Koalition schließen alle hessischen Grünen komplett aus. Bis auf einen: Daniel Cohn-Bendit, der in der taz sagte, wer Koch wirklich weghaben wolle, müsse auch mit den Linken zusammengehen.

Nun ist Cohn-Bendit zwar im EU-Parlament, aber für hessische Verhältnisse auch einer von den Alten. Kaum ein Landesverband hat sich in den vergangenen Jahren so runderneuern müssen wie die Hessen-Grünen. Ihre Bundestagsgruppe ist größtenteils komplett neu. Amtsälteste hier ist ausgerechnet das so genannte Parlamentsküken Anna Lührmann, 24, immerhin schon seit 2002 dabei. "Wir Hessen-Grünen haben die Regierung bis 2005 stark mitbestückt", erklärt sie. Da nach dem Regierungswechsel dann viele gingen, seien nun eben viele Neue nachgerückt: für Joschka Fischer zum Beispiel Nouripour.

Lührmann weiß darum, dass es eine zweischneidige Sache ist, Fischer im Wahlkampf noch einmal auftreten zu lassen und dadurch zu betonen, wie anders und jung die amtierende Truppe ist. Doch gebe ihr der Wahlkampf den Eindruck, "dass die Leute jetzt endlich mal begreifen, dass es einen Joschka nicht jedes Jahr in der Politik gibt".

Die grüne Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke erkennt keine Fischer-bedingte Lücke speziell in Hessen, im Gegenteil. Der Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir "mobilisiert auch durch seine eigene Person", sagte sie. Lemke, die in Wahlkämpfen stets bis zur Halskrause in Umfragen und Wählerdaten sitzt, will gerade diese Woche nicht an finstere Prozentzahlen glauben: "Demoskopie ist nicht mehr so verlässlich." Lemkes Vorsicht erstreckt sich auch auf rot-grüne Titelgebung. "Wir müssen am Wahlabend entscheiden, ob wir aus 2.0 nicht lieber ein 3.0 machen sollten." ULRIKE WINKELMANN

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