Kreisreform in Sachsen: Landräte eingekauft

Mit zweifelhaften Absprachen setzt die große Koalition in Sachsen die umstrittene Veränderung der Kreisgrenzen doch noch durch. Grüne kritisieren: "jämmerliches Schauspiel".

Freistaat Sachsen: Kein präsentables Modell für eine Kreis- und Verwaltungsreform Bild: dpa

DRESDEN taz Am Mittwoch will der Sächsische Landtag eine Kreis- und Verwaltungsreform verabschieden. Sie gilt als das zentrale Projekt der seit 2004 regierenden CDU-SPD-Koalition. Die Zahl der Landkreise schrumpft von 22 auf 10. Parallel dazu werden bisherige Verwaltungsaufgaben des Landes teilweise den Kommunen übertragen, denen der Freistaat 4.250 Beschäftigte abgibt.

Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) hatte vor der Sitzungswoche die Landtagsabgeordneten vor einem Scheitern der umstrittenen Reform gewarnt. Nach unbestätigten Insiderinformationen soll es allerdings bei einem Treffen Milbradts mit der CDU-Fraktionsspitze eine geheime Absprache gegeben haben. Demnach wolle die Fraktion der Reform zustimmen, wenn der durch Landesbank-Desaster und Verfassungsschutzaffäre angeschlagene Ministerpräsident in einen geordneten Rückzug vom Amt einwilligt.

Sachsen wird voraussichtlich bis 2020 von gegenwärtig knapp 4,4 Millionen Einwohnern auf 3,8 Millionen schrumpfen. Im gleichen Zeitraum sinken Zuschüsse aus dem Solidarpakt und der EU für den Landeshaushalt. "Wir wollen unseren Bürgern aber weiterhin möglichst gleiche Angebote unterbreiten", begründet CDU-Innenpolitiker Volker Bandmann die Reform. Diese Notwendigkeit wird auch von den Oppositionsparteien Linke, FDP und Grüne nicht bestritten. Dafür bietet sich außerdem ein günstiges Zeitfenster, da viele der teils seit 1990 amtierenden Landräte bald in Pension gehen.

Hier zeigt sich aber, dass die Reform nicht nur rationalen Gesichtspunkten folgt. Vor den parlamentarischen Beratungen, die der Grüne Johannes Lichdi als "jämmerliches Schauspiel" bezeichnete, hatte Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) mit Kommunalpolitikern bereits Absprachen getroffen, die in großen Teilen vom Parlament nicht mehr korrigiert wurden. "Die Zustimmung der Landräte ist regelrecht erkauft worden", sagt der linke Innenpolitiker Michael Friedrich. Zum einen mit der Kommunalisierung ehemaliger Landesaufgaben, die mit einem Zuwachs an Fördermitteln und Macht verbunden ist.

Dafür bietet von allen Landesverfassungen nur die sächsische eine Grundlage - sie enthält ein Kommunalisierungsgebot. Außerdem winkt eine "Kreishochzeitsprämie" von insgesamt 260 Millionen Euro, wie die Reform überhaupt in den ersten Jahren kräftige Mehrkosten verursacht. Auch deshalb zweifelt die Opposition die angebliche Einsparung von mehr als 20 Prozent Verwaltungskosten an.

Schwerer wiegt die mangelhafte Prüfung der zu übertragenden Aufgaben, die nach Oppositionsmeinung eine Zersplitterung von Kompetenz etwa in der Umweltverwaltung zur Folge hat. Die Koalition selbst hatte deshalb einige Kommunalisierungen wieder rückgängig gemacht. Wegen der vielen Unregelmäßigkeiten will die Opposition Verfassungsklage einreichen. In der heutigen Debatte dürfen auch Abweichler der Koalition ihre lokalpatriotischen Interessen vertreten, denn dann geht es unter anderem darum, welche Städte kreisfrei bleiben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.