die wahrheit: Jim Knopf und Raoul der Inselführer

Aus der Welt der angewandten Wissenschaften: der Kampf um Lummerland und seine realen Hintergründe.

Jim Knopf kann sich über diesen Schrott nur wundern. Bild: taz-archiv

Mit der These, dass Homer im Süden der Türkei pubertiert habe und das historische Troja in den Dardanellen gesucht werden müsse, hat der Dichter Raoul Schrott die Gelehrtenwelt verdutzt und sie zu einem erbittert geführten Streit aufgestachelt. Genaueren Aufschluss wird sie jedoch erst gewinnen können, wenn der Hanser Verlag am 8. März Schrotts Studie über "Homers Heimat" ausliefert.

Schrott selbst, der darauf nicht warten muss, weil er sein Buch ja schon kennt, ist seinen Kritikern inzwischen weit enteilt und hat sich ein anderes Betätigungsfeld ausgesucht. In einer Lounge des Turms der Berliner Gesellschaft für Angewandte Wissenschaften hat er am Mittwoch sein neuestes Projekt einem erlesenen Kreis von Multiplikatoren vorgestellt, und man darf jetzt schon sicher sein, dass es abermals wie ein Blitz in die Berliner Republik einschlagen wird: Die Insel Lummerland, so lautet die jüngste Hypothese des Forschers Schrott, liege mitnichten "im weiten, endlosen Ozean", wie der Schriftsteller Michael Ende behauptet hatte, und es handele sich auch nicht um eine Insel, sondern um eine von Ende als Insel missverstandene Auswölbung am äußeren Rande des Kraters eines erloschenen Vulkans auf einer Halbinsel am Nordufer des Gelben Meers.

Als Kronzeugen für diese Theorie hat Schrott einen belesenen, im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Globetrotter mit Migrationshintergrund aufgeboten, doch inzwischen sind Zweifel an Schrotts Sachverstand und Kompasskenntnis laut geworden. "Wenn Lummerland im Gelben Meer läge, hätten Lukas der Lokomotivführer und Jim Knopf das chinesische Festland viel schneller erreichen müssen", hat Prof. Willegard Hingsen vom Kieler Institut für Ozeanistik gegenüber CNN erklärt, und eine von der Michael-Ende-Gesellschaft beauftragte Gruppe führender Sinologen ist in einer Expertise zu dem Schluss gelangt, dass es in dieser Region auch keine Anhaltspunkte für die Existenz einer Drachenstadt gebe; ganz zu schweigen von den Spuren eines unterseeischen Magnetbergs.

Laut dpa liegt mittlerweile auch eine Protestnote von Mitarbeitern der Augsburger Puppenkiste vor, die Schrotts Argument zurückweisen, dass die künstlichen Plastikwogen in den Verfilmungen der Abenteuergeschichte um Jim Knopf und Lukas einen verdeckten Hinweis auf die Abfallentsorgungsprobleme in der chinesischen Hafenstadt Penglai enthielten und dass der Scheinriese, Herr Tur-Tur, irgendwie entfernt mit dem chinesischen Staatsmann Tschiangkaischek verwandt sei.

Empört hat der renommierte Lummerland-Forscher Heinz-Uwe Mannhaus (72) auf die jüngsten Nachrichten reagiert: "Ich suche schon seit mehr als vierzig Jahren nach dem Tal der Dämmerung und nach Lummerland und dem Reich Jimballa. Dieser Herr Schrott hat sich nur einmal kurz auf einer meiner Ausgrabungsstätten blicken lassen, und dabei hat er einen Stadtplan aus der Wei-Dynastie mit Bionade bekleckert!"

Der verunreinigte Stadtplan wird zurzeit im Pekinger Museum für Landesgeschichte restauriert. Eine Schadenersatzklage ist auf dem Weg. Wir berichten weiter über diese wissenschaftliche Sensation.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.