Kandidaten für Wahl abgelehnt: Rote Karte für Irans Reformpolitiker

3.000 Kandidaten wurden für die Parlamentswahl am 14. März abgelehnt. Das Reformlager erwägt nun einen Wahlboykott.

Darf bei der Wahl antreten: Irans Präsident Ahmadinedschad Bild: rtr

BERLIN taz Das Aussieben von missliebigen Kandidaten für die iranischen Parlamentswahlen am 14. März hat wieder begonnen. Von 7.200 Bewerbern wurden in erster Instanz rund 3.000 abgelehnt. Wahlen sind in der Islamischen Republik eine Farce. Denn bevor das Volk zu den Urnen gerufen wird, treffen staatliche Instanzen eine Vorauswahl. Reicht ein Bewerber seine Unterlagen vollständig ein, ist nicht sicher, dass er zu den Wahlen zugelassen wird. Zunächst werden die Unterlagen von Ausschüssen, die vom Innenministerium gebildet werden, geprüft. Mitglieder dieser Ausschüsse sollen angesehene Persönlichkeiten aus den jeweiligen Bezirken sein. Sie prüfen, ob die Kandidaten vorbestraft sind, gegen sie eine Anklage vorliegt und sie sich sittlich-moralisch dazu eignen, als Volksvertreter gewählt zu werden.

Wer diese Hürde überwindet, ist aber immer noch nicht am Ziel. Die letzte Entscheidung liegt beim Wächterrat. Dieses Gremium, ohne dessen Zustimmung kein vom Parlament verabschiedetes Gesetz in Kraft tritt, ist keine unabhängige Instanz. Sechs seiner zwölf Mitglieder - sie sind Geistliche - werden vom Revolutionsführer ernannt. Die anderen sechs - sie sollen Rechtsexperten sein - ernennt die Justiz bzw. das Parlament. Der Chef der Justiz wird vom Revolutionsführer bestimmt.

Demnach ist der Wächterrat nichts anderes als ein verlängerter Arm des Revolutionsführers; er vertritt ganz offen die Interessen der Radikalislamisten. Der Wächterrat überprüft die religiöse und politische Eignung eines jeden Kandidaten. Es geht hauptsächlich darum, festzustellen, ob sich der jeweilige Bewerber zum System des Welajat-i-Fakih (absolute Herrschaft der Geistlichkeit) bekennt und ob er sich zeit seines Lebens diesem System gegenüber loyal verhalten hat. Für Ablehnungen liefert der Wächterrat keine Begründung, er fühlt sich nur dem Revolutionsführer verpflicht. Dieselbe Prozedur gilt auch für die Wahl des Präsidenten, der laut Verfassung direkt vom Volk gewählt wird.

Bei den letzten Parlamentswahlen 2004 sorgte der Wächterrat für die absolute Mehrheit der Radikalislamisten, 2005 für die Wahl Mahmud Ahmadinedschads zum Staatspräsidenten. Nun sind bereits bei der ersten Überprüfung der Bewerbungsunterlagen rund 3.000 Bewerber abgewiesen worden. Die meisten von ihnen gehören, wie auch bei der letzten Wahlperiode, dem Lager der Reformer an. Bis zum 6. März will der Wächterrat die endgültige Liste der zugelassenen Kandidaten veröffentlichen.

Bleibt es bei dieser massiven Ablehnung oder wird die Zahl der Abgewiesenen sogar noch höher, werden die Radikalislamisten auch in den nächsten vier Jahren das Parlament monopolisieren. Das ist genau das, was die Reformer und auch die moderaten Konservativen befürchten. Sie hatten gehofft, von der weit verbreiteten Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung Ahmadinedschad, der miserablen Wirtschaftslage sowie der Zunahme von Repressionen und den außenpolitischen Krisen profitieren zu können.

Die Wahl sollte auch die Weichen für die Präsidentenwahl 2009 stellen. Ein breites Bündnis unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Reformpräsidenten Mohammad Chatami und mit Unterstützung des früheren Staatschefs Haschemi Rafsandschani sowie des früheren Parlamentspräsidenten Mehdi Karrubi, die als moderate Konservative gelten, sollte den Radikalislamisten um Ahmadinedschad eine Niederlage bescheren. Für den Fall, dass es bei der massiven Blockade bleibt, empfehlen linke Reformer, nicht für die Wahlen zu kandidieren oder das Volk zum Wahlboykott aufzurufen. Sollten große Teile der Wähler diesem Aufruf folgen, könnte die frustrierende Wahl doch noch spannend werden.

BAHMAN NIRUMAND

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