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ANTROPOSOPHIEDie Gesundheitsaktie

Das Grundstück des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe in Kladow soll verkauft werden. Um das anthroposophische Klinikum zu retten, sollen ehemalige Patienten nun Aktien zeichnen.

Neun Monate ist Lilly erst auf der Welt und schon Aktionärin. Ihre Eltern haben sie dazu gemacht und auf ihren Namen eine 100-Euro-Aktie am Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe gezeichnet. "Eine Entscheidung aus Dankbarkeit", sagt der Vater Stephan Schäfer, "auch wenn das pathetisch klingt". Seit der "wunderbaren Geburt" fühlten er und seine Frau sich mit dem naturmedizinisch orientierten Krankenhaus verbunden, sagt der 34-jährige Steuerberater. "Außerdem hoffe ich zu verhindern, dass sich ein profitorientierter Klinikbetreiber auf das Krankenhaus stürzt."

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Die Klinik Havelhöhe arbeitet auf der Grundlage eines erweiterten medizinischen Konzepts unter Einbeziehung der anthroposophischen Medizin. Neben schulmedizinischen Verfahren setzt sie vor allem künstlerische Therapien und Anwendungen, u.a Musik- und Kunsttherapie oder Heileurythmie, ein. Einer Studie der Techniker Krankenkasse zufolge ist sie unter 200 deutschen Kliniken diejenige mit den zufriedensten Patienten. Die Gemeinnützige Aktiengesellschaft (gAG) hat bisher Aktien im Wert 453.600 Euro ausgegeben. Rund 20.000 Euro sind daneben als Spenden eingegangen. Der Trägerverein selbst hat Aktien in Höhe von 100.000 Euro erworben, die er nun weiter veräußert. Dazu sind die Aktionäre einer gAG im Gegensatz zu Anteilhabern einer Genossenschaft berechtigt.

Unmittelbare Privatisierung droht der Havelhöhe zwar nicht, doch das renommierte Klinikum braucht mehrere Millionen Euro, um seinen Fortbestand zu sichern. Das Land Berlin will das 18 Hektar große Gelände in Kladow, auf dem die Havelhöhe steht, verkaufen. Seit 1995 durfte der Träger "Verein zur Förderung der anthroposophischen Heilkunst Berlin" darauf faktisch kostenfrei ein städtisches Krankenhaus betreiben. Doch nun fordert der Liegenschaftsfonds nach Angaben des Havelhöhe-Geschäftsführers Roland Bersdorf einen zweistelligen Millionenbetrag für das Grundstück. Der Liegenschaftsfonds selbst will sich zu dem "hochsensiblen Thema" nicht äußern. "Derzeit sind wir in Verhandlungen, um den Wert zu klären.", sagt Bersdorf. "Wir gehen von einem endgültigen Kaufpreis von höchstens 2 Millionen Euro aus."

Selbst die könnte das ohne Rücklagen arbeitende Krankenhaus allerdings nicht ohne weiteres auftreiben. Deshalb hat der Trägerverein eine Gemeinnützige Aktiengesellschaft gegründet und als erstes Klinikum in Deutschland seine Patienten und Mitarbeiter gebeten, Aktionäre ihres Krankenhauses zu werden.

Rund 1.000 Menschen sind dem Aufruf gefolgt, den Havelhöhe im Herbst an 45.000 ehemalige Patienten und seine Mitarbeiter geschickt hat. Behrsdorf glaubt, mit der Aktion "einen Nerv getroffen" zu haben. Fast eine halbe Million Euro sind für den Grundstückskauf bereits zusammengekommen. Mit dem Rücklauf der Aktien sei man sehr zufrieden, sagt Behrsdorf. "Das ist eine Basis. Wenn wir 2008 eine Million hätten, wäre das super."

Das Engagement der Aktionäre ist insofern erstaunlich, da ihnen keinerlei materieller Nutzen daraus erwächst. Denn laut Satzung wird keine Dividende ausgeschüttet. "Der Gewinn ist rein ideeller Natur", sagt Vorstand Julian Schily. Also keine Sonderbehandlung mit Einzelzimmer und Chefarztbetreuung, sondern lediglich eine "geldmäßige Verbindung mit Havelhöhe", wie der Ideengeber der Aktiengesellschaft Schily das Modell nennt.

Ganz nebenbei hat die Havelhöhe so eine neue Form der Patientenbindung geschaffen. Denn wer eine Aktie an seinem Lieblingskrankenhaus hat, wird sich wohl auch zukünftig vorrangig dort behandeln lassen. Zumal die Aktionäre durch die Wahl des Vorstands und Aufsichtsrats ein - wenn auch begrenztes - Mitspracherecht auf der jährlichen Hauptversammlung haben. Gleichzeitig kann das Klinikum auch mit dem Aktienfonds umgehen, umfür künftige Investitionen Bankkredite mit hohen Zinsen tilgen zu können.

Nicht ganz uneigennützig hat das Krankenhaus auch seine Kontakte zu Künstlern und Politikern eingesetzt. Die Aktien wurden von Malern gestaltet und in limitierter Auflage ausgegeben. Eines Tages, so hofft Schily, besäßen sie vielleicht erhöhten Sammlerwert. Bereits jetzt sei die von Udo Lindenberg illustrierte Aktie am meisten gefragt gewesen. Schily konnte auch seinen Onkel, den früheren Innenminister, für einen ehrenamtlichen Aufsichtsratsposten gewinnen und zum Aktienkauf in Höhe von 500 Euro bewegen. Ein Betrag, den er "möglicherweise weiter aufstocken" werde, wie Otto Schily sagt.

Von manchen Klinik-Aktionären werden solche Promi-Aktionen eher skeptisch betrachtet: Stephan Schäfer hat für seine Tochter jedenfalls gerade nicht die Lindenberg-Aktie gekauft, und auch die Namen in Vorstand und Aufsichtsrat machten ihn eher stutzig. "Müssen die denn überall mitmischen?", fragt Schäfer angesichts der prominenten Zugpferde. Immerhin scheint dieHavelhöhe eine Alternative zu kommunalen und rendite-orientierten Wirtschaftsformen gefunden zu haben, um Gesundheit und Geld gewinnbringend zu verbinden.

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