Regierungskrise in Österreich: Skandale belasten große Koalition

Die österreichische Regierung könnte an einem Skandal um Machtmissbrauch der konservativen OVP zerbrechen.

WIEN taz Amtsmissbrauch zum Schaden des politischen Gegners, Vertuschung von Ermittlungsfehlern, Anstiftung zur Kriminalisierung von Anwälten, Weitergabe vertraulicher Daten: Das sind nur einige Vorwürfe, die der Exchef des österreichischen Bundeskriminalamtes Herwig Haidinger erhebt. Die Fäden laufen jeweils im Innenministerium zusammen, einer einst roten Bastion, die in den vergangenen acht Jahren von der konservativen ÖVP gründlich umgefärbt worden war. Während die Opposition einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss fordert, will der Koalitionspartner SPÖ noch die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Innenausschuss abwarten.

ÖVP-Chef Wilhelm Molterer und Innenminister Günther Platter sind in den Meinungsumfragen abgestürzt. Auch wenn sich die Behauptungen des als zuverlässig und sachlich bekannten Beamten nicht en détail belegen lassen sollten, zeigen sie, wie die ÖVP ihre Macht missbrauchte. Da soll Innenminister Ernst Strasser (2000-2004) eine Anzeige gegen den unbequemen Asylanwalt Manfred Bürstmayr lanciert haben, um ihn aus dem Menschenrechtsbeirat des Ministeriums werfen zu können. Daraus wurde nichts, weil der korrekte Beamte kein Fehlverhalten entdecken konnte.

Der empörende Kriminalisierungsversuch erregt merkwürdigerweise wenig Interesse. Medien und Politik setzen vor allem auf den durch E-Mails belegten Vorwurf, das Innenministerium hätte im Wahlkampf 2006 eine Evaluierung von Ermittlungspannen im Fall Natascha Kampusch aus politischen Gründen verhindert. Sie hatte im August 2006 aus einem Keller bei Wien fliehen können. Acht Jahre war sie dort von ihrem Entführer Wolfgang Priklopil festgehalten worden. Bei Aufarbeitung der Akten stieß Haidinger auf den Hinweis eines Polizisten, der wenige Wochen nach dem Kidnapping 1998 den Täter als verdächtigen Sonderling mit Neigung zu Pädophilie beschrieben hatte. Dem Hinweis wurde nicht nachgegangen, weil Priklopil schon vorher vernommen worden war. Die Aufarbeitung wurde dann mit dem Argument unterbunden, man wolle keinen Polizeieklat vor den Wahlen.

Die ÖVP setzte im Wahlkampf vielmehr auf den Skandal der Gewerkschaftsbank Bawag, die Milliarden verspekuliert hatte und verkauft werden musste. Finanz- und Innenministerium, so die Vorwürfe des scheidenden BKA-Chefs, sollen einseitig gegen die SPÖ ermitteln.

Die ÖVP reagiert jetzt so nervös wie hilflos. Zuerst versuchte man Haidinger als frustrierten Beamten zu diffamieren, der sich rächen will, weil er nicht befördert wurde. Die Anschuldigungen gegen die inzwischen verstorbene Innenministerin Liese Prokop, "die sich nicht wehren kann", fand man unzulässig, weil pietätlos. Während Fraktionschef Wolfgang Schüssel anfangs keinen Grund sah, warum Prokop die unter einem SPÖ-Innenminister passierte Ermittlungspanne vertuschen sollte, meinte Generalsekretär Hannes Missethon, die Ministerin hätte damals "klug entschieden". Parteichef Molterer hingegen versprach "Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung", lehnte aber einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ab, weil man damit schlechte Erfahrungen gemacht hätte. Zuvor war die ÖVP in zwei U-Ausschüssen über den Kauf von Eurofightern und Bankenskandale monatelang in der Defensive, bis mithilfe des Koalitionspartners SPÖ beide vorzeitig beendet wurden.

Jetzt fühlt sich die SPÖ aber durch die Probleme der ÖVP ermutigt. Es mehren sich Signale, dass die Sozialdemokraten mit der Opposition einen U-Ausschuss gegen ihren Koalitionspartner einsetzen könnten, auch wenn das zu Neuwahlen führen würde.

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