Kommentar Gefangenenaustausch mit der FARC: Keine Alternative zu Verhandlungen

Weil man mit Terroristen angeblich nicht reden kann, gibt es nicht mal Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch.

Als politische Binsenweisheit gilt, daß nur eine starke, vorzugsweise rechte Regierung imstande sei, mit linken Rebellen Frieden zu schließen. Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe ist das Gegenbeispiel zu dieser These. Wegen seiner harten Hand gewählt und wiedergewählt, ist er dem Frieden mit der mächtigen FARC-Guerilla in seiner fünfeinhalbjährigen Amtszeit keinen Schritt näher gekommen.

Nun drängt Venezuelas Hugo Chávez seinen Amtskollegen, die FARC nicht länger als Terroristen zu diffamieren. Denn wer die Geschichte Kolumbiens kennt, der weiß, daß die Guerilla vor über 40 Jahren als Selbstschutzverband illegalisierter politischer Gruppierungen entstanden ist. Der Terror ging damals vom Staat aus. Als die FARC Ende der Achtzigerjahre mit der Unión Patriótica (UP) einen politischen Arm gründeten, der sich an Wahlen beteiligte, bot ihnen das System keine Sicherheit: mehr als 5000 ihrer Aktivisten wurden ermordet, darunter zwei Präsidentschaftskandidaten und ein Senator.

Kein Zweifel, seither ist die politische Basis der FARC dahingeschmolzen. Die militärische Logik überwiegt längst die politischem Ziele, und dass sie sich durch Kidnapping und Kokain finanziert, macht die Guerilla nicht sympathischer. Doch Uribes Plan, die FARC politisch zu isolieren und militärisch zu zerschlagen, geht nicht auf. Zumindest nicht, was die militärische Seite angeht.

Der FARC-Comandante Manuel Marulanda oder seine Nachfolger können noch einmal vierzig Jahre im Dschungel überleben und Ärger machen. Muß das sein? Die FARC kämpfen ja längst nicht mehr für die Diktatur des Proletariats. Die Wirtschafts- und Sozialreformen, mit denen sie 1999 zu Verhandlungen antraten, lasen sich jedenfalls wie ein sozialdemokratisches Parteiprogramm.

Doch weil man mit Terroristen angeblich nicht reden kann, gibt es nicht mal Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch. So wird Ingrid Betancourt, die wichtigste Geisel der FARC, wohl noch lange in Gefangenschaft bleiben. So lange, bis Uribe über seinen Schatten springt.

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*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.

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