Kommentar Hessen & Hamburg: Das Dilemma der SPD

Nach den Wahlen in Hessen und hamburg sind noch keine Koalitionen in Sicht. Immerhin: Optionen sind sichtbar, im neuen Fünfparteiensystem. Die Crux ist die Linkspartei

Nehmen wir mal an, die Grünen in Hessen hätten in der letzten Woche klammheimlich ihren Kurs geändert. Weil partout keine Ampel zustande kommt, hätte die Parteispitze entschieden, mit CDU und FDP zu regieren. Wäre dann ein Orkan der Entrüstung losgebrochen, wie die Grünen ihr Wahlversprechen, Koch abzulösen, in so schändlicher Weise brechen konnten? Hätte es Empörungswellen und wutschnaubende Bild-Zeitungsschlagzeilen gegeben? Wohl eher nicht.

Im Gegenteil: Die Union hätte sich überschlagen vor Lob. Denn empörend ist nicht, wenn Politiker nach der Wahl anders reden als vorher. Empörend ist nur, wenn die SPD nach der Wahl ein bisschen anders über die Linkspartei redet.

Nach den Wahlen in Hamburg und Hessen ist noch immer unklar, welche Koalitionen dort regieren werden. Doch bereits sichtbar sind die neuen Optionen im Fünfparteiensystem. In diesem System zählen nicht mehr nur Prozentzahlen - fast ebenso wichtig sind Koalitionsmöglichkeiten. In dieser Hinsicht schlägt die Union derzeit die SPD um Längen. Wenn Schwarz-Grün in Hamburg gelingt, erweitert die Union damit ihren politischen Spielraum. Schwarz-Gelb, wo es geht, Schwarz-Rot, wo es sein muss, Schwarz-Grün, wo es passt - das sind die glänzenden Aussichten der Union. Dies erklärt auch die Eilfertigkeit, mit der die CDU-Bundesspitze zu Schwarz-Grün rät, obwohl die CDU in Hamburg inhaltlich der SPD etwas näher steht.

Die Möglichkeiten der Union wachsen, jene der SPD schrumpfen. Die Grünen, bislang fest an die SPD gekettet, emanzipieren sich. Die FDP will nicht mit der SPD, die SPD wiederum im Westen nicht mit der Linkspartei. So ergibt sich die bizarre Lage, dass es bei Wahlen zwar durchweg linke Mehrheiten gibt, machtpolitisch die Linke aber stets im Abseits steht.

In diesem Spiel droht die SPD zu vereinsamen. Das hat Kurt Beck ein bisschen begriffen. Wirklich befreien kann sich die SPD aber nur, wenn sie ihre Haltung zur Linkspartei fundamental ändert. Das heißt: sich in Hessen nicht bloß verdruckst von der Linkspartei wählen zu lassen. Sondern entschlossen und selbstbewusst eine Tolerierung ins Auge zu fassen.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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