Unternehmen kauft sich Gewerkschaft: PIN ist ausgeliefert

Der angeschlagene Postdienstleister PIN soll eine Scheingewerkschaft geschaffen haben, um sich vor dem Branchenmindestlohn zu drücken.

Bild: AP

Nun also doch. Lange bestritt die Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste (GNBZ) Ver.di-Vorwürfe, kaum mehr zu sein als der verlängerte Arm der PIN Group. Doch am Donnerstag hat der Insolvenzverwalter des Postdienstleisters verkündet, dass der Ex-PIN-Vorstandschef die junge Gewerkschaft massiv mit Geld unterstützt hat. Wenn das zutrifft, könnte das Berliner Unternehmen die Debatte um den Postmindestlohn neu entfachen.

PIN-Insolvenzverwalter Bruno Kübler übergab der Kölner Staatsanwaltschaft Dokumente, die belegen sollen, dass der frühere Vorstandschef des Unternehmens, Günther Thiel, die GNBZ finanziert hat: "Es liegen Unterlagen vor, nach denen bis zum 10. Dezember 2007 Zahlungen von der PIN-Holding in Höhe von 133.526,69 Euro über einen Umweg an die GNBZ geflossen sind", sagte Kübler. Die Gelder sollen im Auftrag Thiels versteckt über eine Kölner Beratungskanzlei gezahlt worden sein. Die Geldflüsse, darunter 30.000 Euro Gehaltszahlungen für den Geschäftsführenden Vorstand Arno Doll, setzten laut Insolvenzverwalter im Oktober 2007 ein - wenige Tage nach Gründung der Gewerkschaft. Die Kanzlei habe der PIN eine Rechnung in einer Gesamthöhe von 900.000 Euro gestellt. Kübler prüft nun, ob diese Zahlungen zurückgefordert werden können. Zudem erwägt er zivilrechtliche Schritte gegen den ehemaligen PIN-Verwaltungsrat.

Die neuen Erkenntnisse erhärten den Verdacht von Ver.di, bei der GNBZ handele es sich um ein Mittel der privaten Postdienstleister, ihnen genehme Tarifverträge aushandeln zu können. Gewerkschaft und Postdienstleister hatten einen Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde im Westen und 6,50 Euro im Osten vereinbart. Dieser liegt deutlich unter dem zu Jahresbeginn vereinbarten Post-Mindestlohn von 8 bis 9,80 Euro pro Stunde.

Die Enthüllungen könnten bundesweite Folgen haben. Das Berliner Verwaltungsgericht hatte Anfang März den Post-Mindestlohn für unzulässig erklärt. Bei der Begründung stützten sich die Richter auf den mit der GNBZ ausgehandelten Tarifvertrag. Dieser habe Vorrang vor dem Branchenmindestlohn, argumentierte das Verwaltungsgericht. Sollte die GNBZ keine Gewerkschaft sein, fiele die Urteilsbegründung in sich zusammen. "Mit Erstaunen" reagierte am Freitag der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste. Dessen Chef Florian Gerster erklärte: "Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, distanzieren wir uns von dieser Vorgehensweise."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.