Kommentar Afghanistan-Mission: Wirre Rückzugsüberlegungen

So diffus, wie die Begründung für den Afghanistaneinsatz war, ist nun die Suche nach einer Exitstrategie. Die Skepsis der Bevölkerung gegenüber der Mission wird so nicht kleiner werden.

Das letzte Gebot lag noch bei zehn Jahren - es kam vom SPD-Fraktionschef Peter Struck. Der Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt von der CSU senkt es nun auf fünf Jahre ab. In fünf Jahren, so lautete seine Osterbotschaft, müsse der Zeitplan für einen Rückzug aus Afghanistan absehbar sein. Das ist zwar auf den zweiten Blick eine reichlich unbestimmte Angabe, bleibt aber ein Satz mit dem Wort "Rückzug" und darum ein Politikum.

Schön ist, dass Regierungspolitiker meinen, in fünf Jahren sei die Arbeit in Afghanistan im Wesentlichen getan. Doch stellt sich die Frage, womit sie das begründen und belegen wollen. Werden die Taliban in fünf Jahren hinter der pakistanischen Grenze stehen bleiben, oder sind sie dann wie auch die Drogenbarone entwaffnet? Moment - sollten die nicht laut dem 2005 beschlossenen "Afghanistan Compact" schon bis 2008 entwaffnet sein?

Gibt es hier neue Zielmarken? Wird der Drogenanbau in fünf Jahren reduziert sein, und wenn ja, um wie viel? Oder sind die Deutschen dafür nicht zuständig? Deutschland wollte doch die afghanische Polizei dafür ausbilden - will man damit in fünf Jahren fertig sein, obwohl man jetzt gerade erst richtig damit anfängt? Hat das Ministerium die Fünfjahresfrist mit den Nato-Partnern abgesprochen? Die dürften sich enorm dafür interessieren, wann der drittgrößte Truppensteller seinen Koffer packen möchte.

So irritierend diffus, wie die Begründung für den Afghanistaneinsatz war, so wird nun auch eine Exitstrategie - oder eher: die Überlegung einer Exitstrategie formuliert. Dass aus Afghanistan vollkommen widersprüchliche Nachrichten darüber zu hören sind, wie gut es den Menschen geht und welchen Nutzen der Nato-Einsatz bislang gebracht hat, ist das eine. Dass aber die Bundesregierung dem wachsenden Erklärungsbedarf stets mit den immer gleichen Floskeln - kein Einsatz im Süden etc. - begegnet, ist schwach. Diese Standardphrasen nun auch noch wild mit möglichen Rückzugsdaten zu garnieren, macht die Sache nicht besser. Die Bevölkerung, von Anfang an skeptisch, wird sich so bis zur Bundestagswahl vom Sinn des Afghanistaneinsatzes kaum überzeugen lassen. ULRIKE WINKELMANN

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.