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Berlinerin kandidiert für Italiens ParlamentStimmenfang fernab der Heimat

Offenbach, Amsterdam, Madrid. Eine Berlinerin tourt auf Wahlkampf durch Europa. Ihr Ziel: das italienische Parlament. Dafür können auch Auslandsitaliener kandidieren.

Ihr Wahlkreis heißt Europa: Laura Garavini. Bild: dpa

BERLIN taz Laura Garavini ist ein Kirschenkind. Ihre Eltern, Bauern aus der italienischen Kirschenregion in der Emilia Romagna, bauen das Obst an. Schon als Zehnjährige ist Garavini auf den Bäumen herumgeklettert und hat sich die süßesten aller Früchte in den Mund gesteckt. "Prall müssen sie sein, aber nicht weich. Ihre Farbe muss dunkel im Gegenlicht glänzen." Natürlich musste sie als Kind auch bei der Kirschernte helfen, ganz professionell. Jetzt aber will die 41-jährige Berlinerin Abgeordnete im italienischen Parlament werden. Zweifel daran, dass sie es schafft, wirken bei der dynamischen Frau mit den dunklen Haaren unangebracht.

Garavinis Wahlkreis heißt "Europa". Seit 2006 dürfen Italiener und Italienerinnen, die im Ausland leben, eigene Kandidaten in die beiden Kammern des italienischen Parlaments senden. Unter der Ägide des Medienzars Silvio Berlusconi wurde dieses Gesetz verabschiedet. Seine rechte Regierung war überzeugt, dass die meisten Italiener im Ausland konservative Parteien wählen würden. Das Gegenteil war der Fall. Bei den Wahlen 2006 wurden die Stimmen aus dem Ausland zum Zünglein an der Waage. Durch sie kam Romano Prodi und sein Links-Parteien-Bündnis an die Macht.

Es hat aber kaum zwei Jahre gehalten. Mitte April sind in Italien schon wieder Neuwahlen. Nun wird von denen, die sich eine Erneuerung im Land wünschen, viel Hoffnung auf die erst letztes Jahr gegründete Demokratische Partei PD gesetzt, in der sich sozialdemokratische und wirtschaftsliberale Gruppen unter Führung des Bürgermeisters von Rom Walter Veltroni zusammengetan haben. "Veltroni ist der Einzige, der überhaupt eine Chance gegen Berlusconi hat", meint ein in Berlin lebender gebürtiger Bochumer mit italienischen Eltern und doppelter Staatsbürgerschaft.

Ankreuzen gilt nicht

Für Veltronis Partei, die PD - die Partito Democratico -, tritt die in Berlin lebende Laura Garavini an. Wer sie wählen will, muss ihren Namen kennen. Denn in italienischen Wahlunterlagen muss man seine Kandidaten selbst eintragen. Ankreuzen allein gilt nicht.

Erst vor Kurzem wurde Garavini in parteiinternen Vorwahlen nominiert. Für ihren Wahlkampf hat sie bis zum 10. April Zeit. Bis dahin müssen die Abstimmungsunterlagen in den Konsulaten eingegangen sein - die Wahl im Ausland geht nur per Brief. Um sich bekannt zu machen, treibt der Wahlkampf Garavini nun durch ganz Europa. "Von Grönland nach Gibraltar, von Madrid nach Moskau", meinte ein Freund der Kandidatin poetisch.

Die Wirklichkeit indes zeigt sich eher von der pragmatischen Seite. Garavini fährt vor allem in die Städte, wo es italienische Vereine und Gemeinden gibt. Nur diese können aus ihrem Besuch ein Event machen, zu dem auch Leute kommen. Letzte Woche war sie in Brüssel, Lugano, Frankfurt, Schaffhausen. Diese Woche stehen Offenbach, Amsterdam und Hamburg im Terminkalender. Barcelona, Madrid. London, Athen kommen auch noch dazu. Finanzieren muss sie fast den ganzen Marathon selbst. Immerhin hat der DGB ihr in Berlin ein Büro in seinem Haus zur Verfügung gestellt. Inmitten von Plakaten und Flyern sitzen sie und ein Helfer am Telefon.

Berlusconi mit seinem Medienimperium hat es da leichter. Drei Millionen Auslandsitaliener und -italienerinnen haben von ihm Post bekommen. "Liebe Freunde, liebe Freundinnen" beginnt er und preist - wenig überraschend - vor allem sich. "So eine Aktion kann er finanzieren, weil er Geld hat", sagt Garavini. Seine Partei heißt mittlerweile Popolo della Libertà - Volk der Freiheit. Im Internet kursiert eine andere Variante. Dort heißt die Partei auf vielen Seiten Popolo delle Libertà - Volk der Freiheiten. Auch Berlusconis Kandidat für den Wahlkreis "Europa", Salvatore Albelice aus Belgien, macht - wie Berlusconi - in Medien. Er ist Präsident der Internetzeitung "Azzurri nel Mondo" und nennt weitere Informationsportale sein Eigen.

Garavini dagegen hat sich mit Basis- und Integrationsarbeit in Deutschland einen Namen gemacht. Sie kam vor 20 Jahren noch als Studentin der Politologie nach Hamburg. Dort unterrichtete sie italienische Kindern Italienisch. Seither glaubt sie, dass Kinder bessere schulische Leistungen erzielen, wenn sie teilweise in ihrer Muttersprache unterrichtet werden. Später zog sie nach Köln und arbeitete in Projekten, die sich um die bessere Integration von jugendlichen Migranten und Migrantinnen bemühte.

Seit 2004 ist Garavini Geschäftsführerin der UIM - Union der Italiener in der Welt, einer gewerkschaftsnahen Organisation für Auslandsitaliener mit 40.000 Mitgliedern. Für einen europäischen Wahlkampf keine schlechte Ausgangslage. "Garavini ist eben umtriebig. Ihr Name ist in Deutschland ein Begriff", sagt der gebürtige Bochumer italienischer Herkunft. "Sie ist eine Mischung aus Dickköpfigkeit, Energie und Durchhaltevermögen", meint wiederum ein Berliner Nachbar der Kandidatin. Und Wolfgang Thierse, der wie Cem Özdemir ihren Wahlkampfauftakt in Berlin unterstützte, hält sie für einen "wunderbaren Mix aus Temperament und Charme. Außerdem kann sie unglaublich gut öffentlich reden."

Anti-Mafia-Bewegung

Sie selbst glaubt, dass ihr vor allem ihre spontane Gründung der Initiative "Mafia, nein danke" nach den Mafiamorden in Duisburg im August 2007 die Nominierung einbrachte. "Ich wollte verhindern, dass sich ein neues Vorurteil etabliert", sagt Garavini. Schließlich titelten die Boulevardzeitungen bereits "Wo Pizza ist, ist Mafia".

Garavini setzt mit dieser Initiative ein Signal. Sie will deutlich machen, dass die italienische Gemeinde nicht in die Mafia verwickelt ist. Ihr Vorbild ist die sizilianische Anti-Mafia-Bewegung. "In Berlin werden eigentlich keine Schutzgelder bezahlt", meint sie. Allerdings gab es zwischen Weihnachten und Neujahr 2007 doch einen Fall, wo ein Italiener und ein Staatenloser arabischer Herkunft dies versuchten. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Initiative haben 51 Gastronomen die beiden Mafiosi angezeigt. Sie wurden gefasst. "Es war die größte Schutzgeldrebellion in Deutschland", sagt sie. "Mafia, nein danke" machte die umtriebige Frau in Deutschland einem breitem Publikum bekannt.

Schon ganz Politikerin verlegt sich Garavini jetzt im Wahlkampf allerdings darauf, die Zustände in Italien anzuprangern. "Die Politik dort ist zu bürokratisch." - "Das politische System ist zu starr." - "Italien braucht eine Erneuerung, braucht junge Leute mit neuen Ideen im Parlament." - "Weitere Jahre mit Berlusconi müssen verhindert werden. Er ist ein europäischer Albtraum." Für solche Sätze bekommt sie von ihren Landsleuten auf Veranstaltungen in Berlin viel Applaus.

In Wirklichkeit aber ist ihr Wahlkampf ein Spagat. Mit etwas Glück wird sie bald im Parlament in Rom sitzen und dort die Politik Italiens mitbestimmen. Um dahin zu gelangen, benötigt sie jedoch die Stimmen von Menschen, die nicht in Italien leben, sondern in Irland, Holland, Deutschland oder sonst wo in Europa. Da müssen deren Probleme gelöst werden. Um die Leute zu erreichen, muss Garavini das ansprechen, und das tut sie auch. In Berlin etwa sagt sie: "Man hält die Italiener in Deutschland für gut integriert. Dabei ist die Arbeitslosenquote bei italienischstämmigen Jugendlichen doppelt so hoch wie bei Deutschen. Und Jugendliche aus italienischen Familien sind in Deutschland überproportional oft auf Sonderschulen." Das deutsche Schulsystem sei "zu selektiv", moniert sie. Wie sie darauf vom italienischen Parlament aus Einfluss nehmen will, ist noch unklar. Eine engere Zusammenarbeit zwischen Italien und Deutschland bei der Lösung von Problemen italienischer Einwanderer schwebt ihr vor. Um das zu erreichen, setzt sie - wenn sie gewählt wird - auf ihren Status. "Als italienische Abgeordnete bin ich für deutsche Politiker eine viel ernster zu nehmende Partnerin als als normale Bürgerin."

Der Transfer politischer Ideen von Italien in andere europäische Länder wird jedenfalls nicht ganz einfach sein. Umgekehrt ist es für Garavini leichter, politische Erfahrungen, die sie in Deutschland gemacht hat, im italienischen Parlament einzubringen. Was in Deutschland an Familienförderung, an Frauenförderung oder mit der Pflegeversicherung erreicht wurde, müsse auch in Italien eingeführt werden. Denn Italien habe ein Problem. "Die Großfamilien bröckeln." Diese haben bisher das soziale System gestützt. "In Italien kriegt man kaum noch Kinder. Frauen sind vielfach nur in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Damit eine Frau in eine Führungsposition kommt, muss sie entweder Ehefrau, Geliebte oder Tochter eines einflussreichen Mannes sein", kritisiert Garavini. "Ich konnte in Deutschland arbeiten, auch als ich Mama wurde." In Italien wäre das so nicht möglich gewesen, meint sie. Sie hat ein Kind.

"Weniger Bürokratie, weniger Konservativismus. Mehr Wachstum, mehr Freiheit - das sind die Achsen, die unser Programm tragen werden", kündigte Veltroni von der Demokratischen Partei PD an. Garavini trägt diese Ideen mit. Denn eigentlich lassen sie alles offen.

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