Italienische Autorin über Wahlkampf: "Das wird ein Desaster für die Linke"

In Italien scheint Berlusconis Rückkehr unaufhaltsam. Sein Herausforderer Veltroni hat den Wahlkampf gegen ihn bereits eingestellt, die Linkswähler sind resigniert. Trostlos - findet Autorin Franca Rame.

Findet Vertrauen in Berlusconi bizarr: Franca Rame, hier mit Ehemann Dario Fo. Bild: rtr

taz: Frau Rame, vor zwei Jahren haben Sie selbst in Italien als Kandidatin Wahlkampf gemacht …

Franca Rame: Ich muss Sie gleich unterbrechen. Wahlkampf habe ich gar nicht gemacht. Ich war von Antonio Di Pietro (dem früheren Anti-Korruptions-Staatsanwalt, die Red.) gebeten worden, für seine zum Prodi-Bündnis gehörende Partei "Italia dei valori" zu kandidieren. Ich hatte ihm gesagt, dass ich meine Arbeit hätte und selbst nicht aktiv werden könne. Ich wurde ohne direktes Wahlkampfengagement mit 500.000 Stimmen gewählt. Das war ein unglaubliches Ergebnis.

Und wie erleben Sie jetzt den Wahlkampf?

Ich bin nicht dabei. Ich habe 14 Tage vor dem Scheitern der Regierung Prodi mein Mandat als Senatorin niedergelegt.

Und welchen Eindruck haben Sie - als Bürgerin Franca Rame - von dem Wahlkampf?

Ich bin sehr besorgt. Egal, ob ich mit den Menschen in meinem Bekanntenkreis spreche oder mit einem Taxifahrer, mit einer Person aus der Nachbarschaft oder mit einem Fan, der mich um ein Autogramm bittet, bekomme ich die immer gleiche Antwort: "Ich gehe nicht wählen." Ich fürchte, dass diese Wahl für die Linke zum Desaster wird.

In Italien scheint die Anti-Berlusconi-Bewegung gar nicht mehr präsent zu sein. Warum hat sich die Wut, die es einmal gab, in Resignation verwandelt?

Leider hat Romano Prodi - der selbst eine sehr ehrbare und fähige Person ist - an der Regierung gar nichts ausgerichtet, weil er sich in einer Koalition mit 15 Parteien wiederfand, von denen ein guter Teil ziemlich konservativ orientiert war. Da gingen dann solche Gesetze durch wie der 2006 verabschiedete Strafnachlass von drei Jahren auf so gut wie alle Haftstrafen, gegen den ich selbst gestimmt habe. Aber ich fand mich da plötzlich an der Seite der stramm Rechten im Parlament. Es gab überhaupt nur 56 Gegenstimmen und fünf Enthaltungen. Dieser mit Berlusconi abgestimmte Strafnachlass zielte doch nicht zuletzt darauf, jene Leute zu schonen, die wegen Korruptionsdelikten verfolgt wurden.

Die Enttäuschung der Mitte-links-Wähler ist offensichtlich. Aber warum hat jetzt hat Walter Veltroni, der Spitzenkandidat der gemäßigten Linken, den Anti-Berlusconismus im Wahlkampf ganz offiziell zu den Akten gelegt?

Er tut das notgedrungen. Denn er hofft darauf, dass am Ende statt einer Niederlage der Linken ein Patt als Wahlresultat herauskommt, das dann Kompromisse mit Berlusconi nötig werden lassen könnte. Dennoch bleibt die Absage an den "Anti-Berlusconismus" natürlich bizarr. Bizarr ist aber auch, dass viele Leute heute Berlusconi stärker vertrauen. Warum ist das so? Weil die Leute nach zwei Jahren Linksregierung das Gefühl haben, dass die schier gar nichts für sie getan hat. Die Linkswähler sind angewidert und desillusioniert.

Man hört im Wahlkampf, dass ein Sieger Berlusconi diesmal anders daherkäme - soft, staatsmännisch, dialogbereit. Ist das glaubhaft?

Ja, weil Berlusconi ja schon alles durchgesetzt hat, was er wollte, in den fünf Jahren von 2001-2006, in denen er regierte. Er hat eine ganze Reihe von Gesetzen verabschieden lassen, die ihm persönlich auf den Leib geschnitten waren, das Mediengesetz, die Eingriffe in die Justiz, die Regelung des Interessenkonfliktes. Jetzt kann es durchaus sein, dass er sich der Nachwelt in gute Erinnerung bringen will - und nicht zuletzt möchte er wohl gerne Staatspräsident werden. Die Linke hat es ihrerseits nicht geschafft, in den knapp zwei Jahren an der Regierung auch nur ein Gesetz zum Interessenkonflikt zu verabschieden. Wenn Berlusconi an die Macht zurückkehrt, findet er alle von ihm verabschiedeten Gesetze unverändert in Kraft. Wir können bloß hoffen, dass er sich tatsächlich ein wenig geändert hat.

Aber woher rührt die konstante Faszination Berlusconis?

Wir wissen ja sehr genau, dass er als junger Mann seine unternehmerischen Aktivitäten begonnen hat, mit Geld, dessen Herkunft allerdings niemand genau kennt, das aus der Schweiz kam und bar zur Bank getragen wurde…

Aber gerade danach fragen seine Wähler doch nie.

Für die ist das in Ordnung so. Sie finden ihn einfach sympathisch, ihnen gefällt auch, dass er sich liften lässt, dass er unentwegt lächelt, dass er als angeblicher Selfmademan daherkommt, das ist einfach der Traum des Durchschnittsitalieners.

Der Komiker Beppe Grillo fordert zum Wahlboykott auf. Sind Sie damit einverstanden?

Nein. Ich kann Grillo nicht verstehen, auch wenn ich in der Sache einen Großteil seiner Kritik an der politischen Klasse teile. Zu Hause bleiben ist aber keine Lösung. Alle Bürger sollten sich an der Wahl beteiligen - und sei es auch nur per Abgabe eines weißen Stimmzettels. Ich werde auf jeden Fall wählen gehen.

INTERVIEW: MICHAEL BRAUN

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.