piwik no script img

die wahrheitIm Kollektiv der grauen Drohnen

Andy Borg ist "Erster von fünf". Seine Mission: Assimilieren und Tranquilisieren.

"Wir sind Borg. Widerstand ist zwecklos: Sie werden assimiliert werden!" - das ist der emotionslose Schlachtruf der Borg. Jeder "Star Trek"-Fan kennt diese Worte auswendig. Die rücksichtslosen Borg assimilieren alles, was ihnen in die Quere kommt: ganze Völker und ihre Technik, ihr Wissen und ihre Erfahrungen. Alles verschwindet im kollektiven Bewusstsein; individuelles Denken wird ausgelöscht. Assimilierte Individuen werden zu Drohnen, deren Körper mit mechanischen und elektronischen Implantaten gespickt sind. Eine grausige Vorstellung, in der leider weit weniger Fiktion steckt als angenommen. Sie sind schon lange unter uns.

Andy Borg ist "Erster von Fünf" - Andy, die Drohne. Tertiäres Attribut von Unimatrix 01. Obwohl es keine Namen gibt im Kollektiv, nannten sie ihn Andy. Sie wussten, dass er damit menschlicher erscheint. Das erleichtert seine große Aufgabe: Die Rentnermassen zu assimilieren, zu tranquilisieren und im Borg-Kollektiv gleichzuschalten. Ein Aufstand wäre furchtbar, es sind so viele. Und so vegetiert die graue Drohnenschar vor sich hin, an elektronische Geräte gefesselt, die sie mit dem Kollektiv und mit Andy Borg oder besser: mit "Erster von fünf" verbinden. Jeden Abend versammeln sie sich an den Apparaten und lauschen den Stimmen des Hive-Bewusstseins.

Sind dabei tatsächlich alle gleichgeschaltet? Es ist unvorstellbar, aber machbar. Ein solches Unterfangen braucht eine Infrastruktur, braucht Massenmedien. Und Kollaborateure gibt es zuhauf: ARD, ORF, ZDF, MDR, Frühlings-Sommer-Herbst-Winter-Fest der Volksmusik, Carmen Nebel, Florian Silbereisen, Karl Moik … sie alle decken ihn, sie helfen ihm und verhüllen seine wahre Identität.

Doch ganz perfekt ist diese Tarnung nicht. In den Titeln seiner Lieder lässt sich die Borg-Attitüde erkennen. Bereits der Song "Adios Amor", mit dem ihm 1982 der Durchbruch im Schlagergeschäft gelang, lässt ahnen, wie kaltblütig er Menschen assimiliert. In die gleiche Kerbe schlägt "Arrivederci, Claire". Am deutlichsten jedoch wird sein Auftrag bei den Hits "Die berühmten drei Worte" (Widerstand ist zwecklos!) und "Ich will nicht wissen, wie du heißt" (Wir sind Borg, Individualität ist irrelevant). Als er 1990 zusammen mit der Jungdrohne Alexandra am Grand Prix der Volksmusik teilnahm, lautete der Titel "Komm setz di auf an Sonnenstrahl". Eine klare Anspielung auf die Lasertechnik, die den halbkybernetischen Borg eingepflanzt wird.

Verlassen die grauen Drohnen einmal die Borg-Apparatur im Wohnzimmer, tragen sie digitale Transceiver mit sich, die sie in ständigem Kontakt mit dem Kollektiv halten. Meist befinden sich diese beigefarbenen Kästchen hinter den Ohren. Man kann die Kommunikation manchmal mithören, schrilles Pfeifen und Zirpen. Dann haben sie gerade eine dringende Anweisung bekommen: "Geh Latschenkiefernöl kaufen!" Wie von Sinnen schieben sie dann ihre Cybergehhilfen über die Straße, ohne nach links und rechts zu sehen. Rücksichtslos drängen sie durch die Einkaufspassagen und scannen die Regalreihen nach dem ätherischen Öl, das ihre künstlichen Gelenke wieder geschmeidig laufen lässt. Ein Anblick, der betroffen macht.

Unaufhörlich ist Andy auf der Suche nach frischem Input für sein Kollektiv. "Wir ziehen von Stadt zu Stadt und machen die Menschen glücklich …", sagt er und legt damit den Deckmantel des Euphemismus über seine düsteren Absichten. Doch hier droht nicht die größte Gefahr; den leicht zu assimilierenden Alten, die zu den Konzerten strömen, ist ohnehin nicht mehr zu helfen. Die Borg wollen mehr: Sie brauchen neue Drohnen, junge Drohnen. Jetzt sind sie in die letzte Bastion der Jugend eingefallen; sie haben das Internet erreicht: www.andy-borg.de ist nur der Anfang. Und er ist grausam. Ohne Vorwarnung wird jeder Besucher beim Öffnen der Website sofort paralysiert. Die Geräusche betäuben den Geist und machen ein Entkommen unmöglich. Zwischen den grausigen Tönen ist immer wieder die subliminale Botschaft zu hören: "Wir sind Borg. Widerstand ist zwecklos: Sie werden assimiliert werden!"

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • FM
    Falk Meier

    Na da schau mir mal einer an! Man schreibt fuer Links.

  • JT
    Jürgen Trier

    My true identity...

    I'm Kilroy! Kilroy! Kilroy! Kilroy!