Öko-Kriterien-Gesetzesentwurf verschoben: Union auf sozialen Abwegen

Dem Wirtschaftsflügel der Union gehen soziale Auflagen für öffentliche Aufträge zu weit. Bundeskabinett verschiebt Gesetzentwurf für soziale und ökologische Kriterien.

Will öffentliche Aufträge reglementieren: Wirtschaftsminister Glos. Bild: ap

BERLIN taz Es ist ein neuartiges Erlebnis für Michael Glos. Dem einstigen starken Mann der CSU-Landesgruppe im Bundestag bereitet die eigene Partei Schwierigkeiten. Bundeswirtschaftsminister Glos musste einen Gesetzentwurf von der Tagesordnung des Bundeskabinetts nehmen, den die Regierung eigentlich am vergangenen Mittwoch beschließen wollte.

Sollen Bund, Länder und Gemeinden ihre öffentlichen Aufträge künftig auch an ökologische und soziale Kriterien binden dürfen? "Ja", sagt Wirtschaftsminister Glos - wenn auch ohne große Überzeugung. Er muss Richtlinien der Europäischen Union in deutsches Recht übertragen. "Nein", antwortet der Parlamentskreis Mittelstand der Union. Dem einflussreichen Gremium gehören 135 Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU an. Das neue Gesetz errichte zusätzliche bürokratische Hürden für mittelständische Betriebe, argumentiert Michael Fuchs, der Vorsitzende des Kreises.

Bonn, Düsseldorf und andere Städte haben soziale und ökologische Standards für ihre Aufträge an private Firmen bereits festgelegt. Wenn Unternehmen Blumen oder Pflastersteine an die Kommune liefern, müssen sie beispielsweise zusichern, dass keine Kinderarbeiter in der Produktion beschäftigt waren. Als Beleg verlangen die Städte etwa ein Zertifikat, das die Herstellungsbedingungen in Entwicklungsländern garantiert.

Bisher bewegen sich die Städte, die solche Kriterien eingeführt haben, in einer rechtlichen Grauzone. Das vom Bundeswirtschaftsministerium geplante neue Vergaberecht würde Klarheit schaffen, weil es zusätzliche Standards als eine Möglichkeit ausdrücklich erwähnt.

Dies will der Wirtschaftsflügel der Union nun in letzter Minute verhindern. Der Verbot der Kinderarbeit gehöre zu den "vergabefremden Kriterien", argumentieren die Mittelständler. Der wichtigste Maßstab solle wie bisher der günstigste Preis bleiben. Mit allem anderen seien gerade kleine Betriebe überfordert. Ihnen fehlten Zeit und Geld, die Herstellungsbedingungen ihrer Produkte bis in den letzten Winkel Afrikas zurückzuverfolgen. In der Union gibt es aber auch andere Meinungen. "Die ökologischen und sozialen Kriterien schrecken mich nicht", sagt Georg Nüßlein, Vizechef des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, "Glos' Gesetzentwurf ist kein ordnungspolitischer Sündenfall", sagte Nüßlein.

Bei der SPD ist die Unterstützung für Glos' Initiative allerdings wesentlich ausgeprägter als bei der Union. SPD-Wirtschaftspolitiker Reinhard Schultz will die Regelungen noch verschärfen. Er fordert, dass auch die Einhaltung von Tarifverträgen und Mindestlöhnen im Gesetz verankert wird. Ein schwieriges Thema - gerade hat der Europäische Gerichtshof eine entsprechende Regelung des Landes Niedersachsen verworfen. Die Aufträge der öffentlichen Hand haben einen Wert von rund 400 Milliarden Euro pro Jahr.

Würden Bund, Länder und Gemeinden schärfere Kriterien einführen, entstünde ein umfangreicher Markt für sozial- und umweltverträgliche Produkte.

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