Zyklon-Katastrophe in Birma: Tausende verwesen in den Straßen

Nach der Sturmkatastrophe herrschen in Birma verheerende Zustände. Viele der Helfer hängen jedoch in der Warteschleife. Frankreich will jetzt den UN-Sicherheitsrat einschalten.

Wasser ist Mangelware. In die am schlimmsten zerstörten Gebiete im Süden kommt man allerdings nur per Hubschrauber. Bild: dpa

Im Herzen Ranguns umringt eine kleine Gruppe einen Tank. Mit kleinen Schüsseln schöpfen die Menschen Wasser in die mitgebrachten Eimer. Sauberes Wasser ist Mangelware, ebenso Notunterkünfte, Decken und Medikamente. Die Preise für Reis, Wasser und Speiseöl, aber auch für Benzin und Kerzen schnellen in die Höhe. Für die ohnehin seit Jahrzehnten verarmte birmesische Bevölkerung ist das der blanke Horror.

Im überfluteten und schwer verwüsteten, südwestlich von der alten Hauptstadt Rangun gelegenen Irrawaddy-Delta wurden außerdem die wenigen Läden gestürmt, die gestern zum ersten Mal seit der Sturmkatastrophe wieder öffneten. Augenzeugen berichteten von Schlägereien um die wenigen Lebensmittel.

Offiziell hat "Nargis" bisher etwa 22.500 Tote gefordert, mehr als 41.000 Menschen gelten als vermisst. Beobachter mutmaßen allerdings, dass die Zahlen noch weiter steigen: Man müsse mit 50.000, wenn nicht gar mit bis zu 100.000 Toten rechnen, so ein in Thailand lebender Regimekritiker gegenüber der taz. Etliche Millionen Menschen wurden obdachlos. "Wir wissen noch nicht, um wie viele Millionen es sich handelt", berichtete der für Birma zuständige Vertreter der Organisation Save the Children, Andrew Kirkwood, gestern per Telefon aus Rangun.

Besonders im Irrawaddy-Flussdelta bleibt die Lage verheerend. Die Region ist nur per Hubschrauber zugänglich. Teams von Save the Children hätten tausende Tote gesehen, die in den Straßen verwesten. Ein Bewohner berichtete, dass in der Region um Laputta an der Südwestspitze des Deltas mindestens zwei Dutzend Dörfer zerstört worden seien. "Wenn nicht bald Hilfe kommt, werden die Menschen verhungern."

Derweil wächst im Volk die Wut auf die Militärführung. Diese legt ausländischen Helfern nach wie vor Steine in den Weg. Viele dürften gar nicht erst in die schwer verwüsten Landesteile einreisen, hieß es gestern. Auch lassen Birmas Generäle weitere Angehörige von Helferteams sowie UNO-Mitarbeiter in Bangkok seit Tagen auf ihre Visa warten. Die Tageszeitung Bangkok Post berichtete, dass Birmas Botschaft in Bangkok am Montag, einem thailändischen Feiertag, geschlossen hatte - ungeachtet der Notlage, in der sich die eigenen Landsleute befinden. Thailändische Autoritäten hingegen hatten ihren freien Tag geopfert und Flugzeuge der Luftwaffe mit Hilfsgütern beladen.

Frankreich hat jetzt angekündigt, den UN-Sicherheitsrat einschalten zu wollen. Es müsse geprüft werden, ob "die Regierung gezwungen werden" könne, "die unerlässliche Hilfe ins Land zu lassen", sagte Außenminister Bernard Kouchner gestern in Paris nach einem Treffen mit Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Laut Kouchner will die Militärregierung bislang nur zwei Flugzeuge mit Hilfslieferungen der UNO ins Land lassen.

Unterdessen hält die Junta an dem für Samstag angesetzten Verfassungsreferendum fest. Nur in den am schwersten verwüsteten Regionen wird zwei Wochen später abgestimmt. Bei dem Urnengang soll das Volk über eine neue Verfassung entscheiden. Diese aber ist nach Ansicht von Regimekritikern nur dazu da, die Macht der Generäle zu zementieren. Die Junta werde die Katastrophe im Land benutzen, um das gewünschte Abstimmungsergebnis zu erhalten, so der ehemalige politische Gefangene Zin Linn zur taz.

Exilbirmesen wussten zu berichten, dass in den vom Wirbelsturm nicht berührten Staaten Shan und Kachin Bewohner bedroht und gezwungen worden seien, in einer vorgezogenen Abstimmung mit "Ja" zu stimmen.

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