WWF-Studie alarmiert: Regierung verpasst Biodiversitätsziel

Es wird eng: Laut einer WWF-Studie kann das Artensterben bis 2010 nicht gestoppt werden. Naturschützer kritisieren vor allem den stiefmütterlichen Umgang mit bestehenden Nauturschutzgebieten.

Tiere wie Kranich und Wolf kehren nach Deutschland zurück - trotzdem wird die Rote Liste immer länger, so der WWF. Bild: dpa

BERLIN taz Bund und Länder werden ihr Ziel, bis 2010 das Artensterben zu stoppen, verfehlen. Das geht aus einer Studie hervor, die der WWF am Mittwoch in Berlin vorgelegt hat. Wenn die Entwicklung wie bisher fortschreite, werde es nicht gelingen, den Verlust an biologischer Vielfalt zu verhindern, so die Studie "Naturschutz in Deutschland. Schutzgebiete und das Biodiversitätsziel 2010".

Die Bundesregierung geht mit ihrem Biodiversitätsziel über die Vorgaben der EU hinaus. Die will den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2010 "signifikant" reduzieren, während die Bundesregierung sich vorgenommen hat, ihn zu "stoppen". Von diesem Ziel sei jedoch die internationale Staatengemeinschaft noch "weit entfernt", sagte auch Bundesumweltminister Gabriel (SPD). Er warnte zudem vor einer Doppelmoral: "Wenn wir wollen, dass die Afrikaner nicht mehr mit Elfenbein handeln, dürfen wir nicht den ersten Bären oder Wolf erschießen, der bei uns um die Ecke kommt."

Die Autoren der Studie begründen ihr Fazit mit dem Zustand der Lebensräume, den sie als Indikator für die biologische Vielfalt werten. Demnach ist zwar seit 1994 der Anteil der "bedrohten" Lebensräume von 15 auf 13,8 Prozent gesunken. Doch die Zahl der "gefährdeten" und "stark gefährdeten" Biotope sei gestiegen. Insgesamt stünden fast drei Viertel aller heimischen Lebensräume auf der "Roten Liste der gefährdeten Biotop-Typen". Jedes vierte Biotop gelte als "nicht oder kaum regenerierbar", weitere knapp 30 Prozent als "schwer regenerierbar".

Ein Beispiel: die Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Demnach sollen die Länder ihre schutzwürdigen Flächen an die EU melden. Mit zehn Jahren Verspätung sei nun der Großteil der Flächen gemeldet worden, so der WWF. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) dämpft die Freude: Zahlreiche der nach Brüssel gemeldeten Gebiete seien noch nicht gekennzeichnet, es fehlten Schutzgebietsverordnungen und Bewirtschaftungspläne, die mit den Nutzern der Flächen abgestimmt seien.

Auch bei den Nationalparks liegt nach Ansicht der Umweltschützer noch einiges im Argen: In der Mehrheit der Parks sei noch zu viel erlaubt, überhaupt entspreche nur jeder vierte deutsche Nationalpark dem internationalen Standard. "Naturschutz in Deutschland gleicht immer noch einem Flickenteppich von minderer Qualität", sagt Frank Barsch, Autor der WWF-Studie. Die vorhandenen Schutzgebiete seien zu klein, zu isoliert und häufig in einem schlechten Zustand.

Das bestätigt auch Holger Wesemüller, stellvertretender Vorsitzender des Dachverbandes der Nationalparks Europarc. "Der Begriff ,Entwicklungsnationalpark' ist schon ganz richtig", sagte Wesemüller der taz. Der WWF setzt sich für die Bezeichnung ein, damit weitere Gebiete einfacher als Schutzgebiete gekennzeichnet werden können. Allerdings müssten die Gebiete in der Folge mit klaren Qualitätskriterien in Richtung Natürlichkeit entwickelt werden.

"Lange Zeit hat einfach keiner auf die Qualitätskriterien geschaut", kritisiert daher Wesemüller. Erst in diesem Jahr seien Standards von Bund, Ländern und Umweltorganisationen entwickelt worden, die jetzt umgesetzt würden. "Zwar haben wir schon sehr gute Beispiele, wie den Bayerischen Wald. Doch es gibt auch große Defizite, wie im Unteren Odertal." Wesemüller sieht bei der Sicherung der Artenvielfalt auch den Bund in der Pflicht. Zwar liege der Naturschutz grundsätzlich im Verantwortungsbereich der einzelnen Länder. "Doch beispielsweise in Österreich springt auch der Bund ein - schließlich ist die Natur ja unser gemeinsames Gut."

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