Neue Studie: Kindergarten macht schlau

Der Kindergarten kann Bildungsdefizite des Elternhauses ausgleichen, zeigt eine neue Studie des Wirtschaftsinstituts DIW. Kinder sollten ihn aber volle drei Jahre besuchen.

Benjamin und Jessica spielen im Städtischen Kindergarten Nußäckerstraße in Heilbronn-Horkheim. Bild: dpa

Ein Kindergartenbesuch gleicht Bildungsdefizite bei Kindern aus benachteiligten Elternhäusern aus. Dies gilt allerdings nur, wenn diese den Kindergarten auch volle drei Jahre besuchen. Ein einzelnes Jahr hat hingegen kaum positive Auswirkungen. Das ist das Ergebnis der vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) veröffentlichten Studie "Soziale Ungleichheit beim Schulstart".

Die Bamberger Wissenschaftler Jens Kratzmann und Thorsten Schneider haben untersucht, wie häufig Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern und Einwandererfamilien zwischen 1995 und 2004 vom Schulbesuch zurückgestellt wurden, sprich: wie oft sie wegen Entwicklungsdefiziten - etwa sprachlichen oder motorischen - erst ein Jahr später eingeschult wurden.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Ohne Kita-Förderung ab drei Jahren wird jedes zweite Kind, dessen Eltern keinen Bildungsabschluss haben, vom Schulbesuch zurückgestellt. Bei einem mittleren Abschluss der Eltern sind es nur 28 Prozent der Kinder. Kommen die Kinder aus einem Akademikerhaushalt, sind es nur 8 Prozent. Völlig anders sind die Ergebnisse, wenn die Kinder aus bildungsfernen Familien bereits mit drei Jahren in den Kindergarten gehen. Dann nähern sie sich dem Schnitt von rund 10 Prozent an Rückstellungen an.

"Gerade Kinder aus bildungsfernen Familien profitieren vom frühen Kindergartenbesuch", schreiben die Autoren. "Das Risiko der Rückstellung wird durch den frühen Kindergartenbesuch fast vollständig ausgeglichen." Ähnliches beobachten die Wissenschaftler auch bei Kindern aus Migrantenfamilien. Sprechen deren Eltern nur schlecht Deutsch, werden die Kinder überdurchschnittlich häufig zurückgestellt. Auch hier verhindert ein früher Kindergartenbesuch den verspäteten Start in die Schulkarriere.

Um mehr Kinder in den Genuss einer Kindergartenbetreuung kommen zu lassen, haben in den vergangenen Jahren mehrere Bundesländer die Gebühren im letzten Jahr gestrichen, so das Saarland, Berlin, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Hessen. Dies reicht laut der DIW-Studie aber nicht aus, Benachteiligungen auszugleichen. Allein das letzte Kindergartenjahr kostenfrei zu machen sei "nicht effektiv".

"Die Bedeutung des Kindergartens als Fördereinrichtung nimmt zu", sagte Jörg Tauss, bildungspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, der taz. "Schüler, die nicht im Kindergarten waren, haben schlechtere Integrationschancen." Tauss fordert deshalb, die komplette Kindergartenzeit kostenlos zu machen. "Unser Ziel ist der beitragsfreie Kindergarten."

Nach Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln von Ende 2006 würde eine Gratiskindergartenbetreuung für alle Kinder zwischen drei und sechs Jahren zusätzliche 3,6 Milliarden Euro pro Jahr kosten.

Bezahlen müssten das die Länder und Kommunen. Ein Schritt, den bisher nur wenige gehen. So will Rheinland-Pfalz bis 2010 schrittweise den Besuch aller Kindergartenjahre kostenlos machen. In der baden-württembergischen Stadt Heilbronn müssen die Eltern heute schon nichts bezahlen. Wie unterschiedlich die Gebühren in den Kommunen sind, zeigte eine Ende März vorgelegte Studie der Zeitschrift Eltern. Demnach schwanken die Gebühren, die Eltern für einen Halbtagsplatz bezahlen müssen, zwischen jährlich 0 Euro und knapp 4.000 Euro für zwei Kinder. Für Ekin Deligöz, kinderpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, ist die Beitragsfreiheit der kompletten Kindergartenzeit erst auf lange Sicht sinnvoll. "Man muss Prioritäten setzen", sagte sie. "Wir brauchen erst mehr Qualität in den Einrichtungen." Diese lasse sich nur durch besser ausgebildete und bezahlte ErzieherInnen und kleinere Gruppen erreichen.

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