Brasiliens neuer Umweltminister Minc: Ein rot-grüner Paradiesvogel

Als Student protestierte er gegen die Militärdiktatur, seine Gesetzesentwürfe werden zu bunten Happenings: Brasiliens hat einen neuen Umweltminister.

Brasiliens neuer Umweltminister heißt Carlos Minc. Mit der Nominierung des schillernden rot-grünen Politikers aus Rio de Janeiro hat Präsident Luiz Inácio Lula da Silva den Schaden begrenzt, der ihm durch den Rücktritt der Urwaldikone Marina Silva entstanden war.

"Minc ist der erste Wagen der brasilianischen Umweltsambaschule", meint der Ökojournalist Marcos Sá Corrêa. Denn Öffentlichkeitsarbeit beherrscht der 56-Jährige, stets gut gelaunte Minc virtuos: Für seine Gesetzesentwürfe als Landtagsabgeordneter warb er oft mit bunten Happenings.

In den Sechzigerjahren beteiligte er sich als Student an bewaffneten Aktionen gegen die Militärdiktatur, kam in Haft und wurde 1970 durch die Entführung des westdeutschen Botschafters freigepresst. Nach der Rückkehr aus dem Exil gründete Minc Brasiliens Grünen mit, schloss sich aber schon bald der Arbeiterpartei an. Dort gehört er zur seltenen Spezies der libertären Ökosozialisten.

Im Landesparlament stritt er 20 Jahre lang für Menschenrechte für Schwule und Lesben, Umwelterziehung oder eine demokratische Sicherheitspolitik. 1989 wurde er mit einem UN-Umweltpreis ausgezeichnet. Anfang 2007 wurde der zweifache Vater, Buchautor und Fan bunter Hemden Umweltminister des Bundesstaats Rio.

Von AktivistInnen wird seine Nominierung mit vorsichtigem Optimismus aufgenommen. "Minc ist verantwortungsvoll und qualifiziert", so Roberto Smeraldi von der NGO Amigos da Terra. "Das Problem liegt in der Regierungspolitik, die er durchsetzen soll." Ähnlich sieht das Mincs langjähriger Mitstreiter, der grüne Abgeordnete Fernando Gabeira.

Brasília ist vor allem an schnellen Umweltlizenzen für Staudämme, Straßen oder Industrieanlagen interessiert. Unternehmer und die Wachstumsapostel in der Regierung drängen dabei auf die Aushöhlung ökologischer Standards. In Rio hatte Minc solche Genehmigungsverfahren beschleunigt und war dafür von Lula gelobt worden. Gegenüber dem Zellstoffmulti Aracruz, den er früher bekämpft hatte, wich er zurück. Dem Ölriesen Petrobras genehmigte er eine umweltpolitisch bedenkliche Großanlage in Rekordzeit.

Carlos Minc ist international kaum bekannt, doch dürfte er noch am ehesten in der Lage sein, die zuletzt arg geschrumpften Spielräume des Umweltministeriums wieder zu erweitern. Sein guter Draht zur urbanen "Zivilgesellschaft" mag Minc dabei helfen, doch um die Ausgangslage ist er nicht zu beneiden: Vor allem in der Amazonaspolitik droht ein Rückfall in die Siebzigerjahre, als das Militärregime ohne Rücksicht auf Verluste sein "Wirtschaftswunder" durchsetzte. GERHARD DILGER

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.