NRW plant FH-Neubau wegen Studischwemme: Gerangel um Hörsaalplätze

Die Landesregierung von NRW plant einen massiven Ausbau von Studienplätzen - an Fachhochschulen. Kritiker bemängeln, die neuen Plätze kämen zu langsam.

Noch zur WM 2002 konnte es gar nicht voll genug sein im Audimax der FH Gelsenkirchen. Bild: ap

BOCHUM taz Es wird eng, sehr eng an Nordrhein-Westfalens Hochschulen. Bis 2020 werden immer mehr Studierende an die Unis und Fachhochschulen zwischen Rhein und Weser drängen. Besonders schwierig wird es im Jahr 2013: Wegen der Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur von 13 auf 12 Jahre werden gleich zwei Jahrgänge Nordrhein-Westfalens Gesamtschulen und Gymnasien in die Hochschulen drängen. 70.000 junge Leute zusätzlich werden auf den (Aus-)Bildungsmarkt strömen. Wenn, wie bisher, nur 70 Prozent von ihnen ein Studium aufnehmen wollen, fehlen 49.000 Plätze für die Erstsemester.

Die CDU/FDP-Landesregierung will etwas dagegen unternehmen - mit einem Ausbau der Fachhochschullandschaft. Der Anteil der Studienanfänger an Fachhochschulen (FHs) soll von derzeit 25 auf 40 Prozent steigen. "Nordrhein-Westfalen wird im kommenden Jahrzehnt 160.000 zusätzliche Studienanfängerplätze schaffen, so dass jeder junge Mensch im Land, der studieren möchte, einen Studienplatz findet", verspricht FDP-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart.

Vier neue Fachhochschulen sollen gegründet werden. An neuen Standorten sollen außerdem fünf Zweigstellen bereits bestehender FHs entstehen. Schwerpunkte sollen in den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik gesetzt werden: "Der Bedarf an hochqualifizierten Ingenieurinnen ist groß und wird noch weiter wachsen", sagt Pinkwart.

Noch aber fehlt dem Bildungsminister schlicht das Geld. Mindestens 2,25 Milliarden Euro koste es, die hochfliegenden Pläne des Kabinetts bis 2020 umzusetzen. In der Landtagssitzung am Mittwoch wird der Minister deshalb wieder einmal die Verantwortung der Bundesregierung anmahnen. Die Hälfte der Mittel, also über eine Milliarde Euro, müsse Berlin beisteuern, hofft. Diese Verteilung hatte allerdings auch schon beim sogenannten "Hochschulpakt I" mehr schlecht als recht funktioniert - der Bund gab nur rund 565 Millionen Euro.Außerdem setzt Pinkwart auf die Verbindlichkeit seines Kabinettsbeschlusses und damit auf den CDU-Landesfinanzminister: "Unser Freund Helmut Linssen wird uns helfen", glaubt er.

Die Realität sieht anders aus. Die Bausubstanz der Unis ist marode - in Pinkwarts Haus schätzt man allein den "Modernisierungs- und Sanierungsbedarf" auf zusätzlich fünf Milliarden Euro. Erst im April wurden an der Universität Köln zwölf Hörsäle gesperrt: Lampen drohten von der Decke zu fallen, 3.000 Plätze waren nicht nutzbar. Insgesamt liege der Sanierungsstau allein in Köln bei rund 300 Millionen Euro, sagt Uni-Sprecher Patrick Honecker: Der landeseigene Bau- und Liegenschaftsbetrieb habe selbst allernötigste Sanierungsarbeiten nicht durchgeführt.

Trotz allgemeiner Studiengebühren von 500 Euro pro Semester gelten viele NRW-Unis als strukturell unterfinanziert. So kündigte die Universität Bonn Ende Mai die Streichung von 150 Stellen in der Lehre an. "Der Hochschule fehlen für die kommenden Jahre 7,5 Millionen Euro im Haushalt", sagt Universitätssprecher Andreas Archut.

Der Bau neuer Hochschulen wird deshalb nicht nur von der Opposition scharf kritisiert. Auch die Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen "empfiehlt mit Nachdruck, auf die Gründung neuer Fachhochschulen zu verzichten". Viel zu lange dauere deren Aufbau, schreibt ihr Vorsitzender Joachim Metzner in einem offenen Brief: "Von der Gründung bis zum Erreichen eines hinreichenden Effizienzgrades vergehen erfahrungsgemäß zehn Jahre" - die sprunghaft steigenden Studierendenzahlen werden die neuen FH also nicht abfedern können.

Statt in neue Verwaltungen solle Pinkwart lieber in die bestehenden Unis und Fachhochschulen investieren, fordert auch die grüne Bildungsexpertin Ruth Seidl: "Für NRW sind im Hochschulpakt I pro Studienplatz lediglich 4.262 Euro vorgesehen", sagt die Landtagsabgeordnete. Dabei koste ein Studienplatz im Mittel aller NRW-Hochschulen 9.108 Euro - der Bildungsminister mache "Reklame mit Billigstudienplätzen".

Der SPD-Bildungspolitiker Karl Schultheis hat hingegen eine ganz andere Sichtweise auf die neuen Studienplätze. Der Bau neuer Fachhochschulen sei nur ein Wahlkampfgeschenk an die Abgeordneten von CDU und FDP, glaubt er. In Nordrhein-Westfalen stehen 2009 Kommunalwahlen, 2010 dann Landtagswahlen an. Und schon jetzt träumen Politiker in Metropolen wie Castrop-Rauxel oder dem Kreis Heinsberg von eigenen Hochschulen.

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