piwik no script img

Querschnittgelähmter ohne Gottes SegenKeine Ehe ohne Sex

In Italien untersagte ein Bischof die Trauung eines Querschnittsgelähmten. Da der Bräutigam nicht zum Vollzug der Ehe in der Lage sei, wollte er ihm den Ärger einer Auflösung ersparen.

Düstere Zeiten bei der katholischen Kirche: Da wird in den Ehebetten mit Präser oder Pille verhütet und der göttliche Auftrag der Eheleute vergessen. Bild: dpa

Einen ziemlich schweren Stand hat die katholische Kirche in der Spaßgesellschaft. Selbst unter den vorgeblich Gläubigen treibt die Mehrheit, was sie will: Da heiraten Leute einfach so, bloß um sich ein paar Jahre später scheiden zu lassen. Da wird in den Ehebetten mit Präser oder Pille verhütet, da fällt kaum noch jemandem auf, dass Eheleute schließlich in göttlichem Auftrag unterwegs sind - von wegen Spaßprogramm. "Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt" (Genesis), "und sie werden zu einem Fleisch" (ebenfalls Genesis) - das ist keine Einladung in den Swingerclub, sondern die Aufforderung, zielgerichtet Sex zu haben und Nachkommen für das Gottesvolk zu produzieren. "Matrimonium ratum et consummatum" (die korrekt geschlossene und vollzogene Ehe) nennen Moraltheologen diese Veranstaltung.

Vor einigen Tagen war es wieder so weit; da musste der Bischof von Viterbo zwei Spaßvögel daran erinnern, worum es in der Ehe eigentlich geht. Heiraten wollten die beiden 25-Jährigen, natürlich mit katholischem Segen. Das war aber nicht nach dem Willen von Bischof Lorenzo Chiarinelli. Der hatte sich den Bräutigam etwas näher angeschaut. Nicht geschieden - aber dann das! Im Rollstuhl sitzt der Eheanwärter, querschnittsgelähmt seit einem schweren Verkehrsunfall vor zwei Monaten. Und deshalb, so der nagende bischöfliche Verdacht, zum "Vollzug" wegen Impotenz schlicht unfähig, von wegen matrimonium consummatum. So lernten die verhinderten Brautleute: Zu viel Sex, gar falscher Sex findet Gottes Wohlgefallen nicht, aber gar kein Sex (wenigstens keiner, der Nachwuchsresultate zeitigen könnte) ist auch inakzeptabel.

Nach dem Bischofs-Veto blieb den beiden nur die staatliche Trauung, vollzogen am letzten Samstag in dem römischen Krankenhaus, in dem der Querschnittsgelähmte immer noch liegt. Extra gekommen war Don Gianna Carparelli, jener Priester, der die beiden hatte vor Gott vereinen wollen, nun war er Ehrengast bei der Veranstaltung, auf der der italienische Staat zusammenfügte, was die Kirche gern weiter getrennt sähe. Mehr als einen Segen für die Eheringe konnte der fromme Mann zur Zeremonie nicht beisteuern. Mit seinem Bischof mag Carparelli sich jedoch nicht offen anlegen, "aus pastoraler Vorsicht" habe der sein Veto gesprochen.

Einen Schritt weiter geht Bischof Chiarinelli selbst. Gar keine Wahl habe er gehabt angesichts des Kirchenrechts, heißt es in einem Communiqué der Kurie von Viterbo, schließlich handle es sich um "eine Realität, die weder von Entscheidungsspielräumen im Urteil noch von den Absichten der Personen abhängt". Ansonsten jammert die Kurie über "inadäquate, hochmütige und verfälschte Interpretationen" des doch eigentlich sehr freundlich gemeinten und im Geiste "der Liebe Christi" ausgesprochenen Eheverbots, Interpretationen, die wohl Höllenstrafen nach sich ziehen werden: "Die Verantwortlichen werden darüber Rechenschaft abzulegen haben." Er selbst dagegen, meint Exzellenz, habe im Geiste "hingebungsvoller Solidarität für den, der leidet" gehandelt. So kann man es natürlich sehen: Schließlich wäre eine wegen Impotenz nie "vollzogene" Ehe vor dem katholischen Gericht der Rota einfach ungültig und schnell auflösbar. Diesen Ärger wollte der Bischof dem jungen Mann im Rollstuhl wohl ersparen. Eine andere Sicht dagegen hat Don Carparelli: "Wenn Liebe wahr ist, kann keine Regel sie aufhalten." MB

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • H
    Hannes

    In Italien wohl dann doch nicht. Aber man fragt sich jedenfalls, ob diese Bischöfe echt nix Besseres zu tun haben.

  • ML
    Markus Lapke

    Ein "Tendenzbetrieb" (das war mal Amtsdeutsch unter Juristen, unter anderem auch für Kirchen mit Staatsverträgen) dieser Art rudert geradewegs in ein juristisch durchsetzbares Existenzverbot von Staats wegen.