US-Wahlkampf im HDTV-Fernseher: Kandidat, hochaufgelöst

Die US-Präsidentenwahl könnte vom neuen, hochauflösenden HDTV-Format entschieden werden. Senator John McCain hat es durchgedrückt - und sieht darin nun sehr alt aus.

Die neue Fernseh-Technik zeigt jede Falte und jede Narbe: Präsidentschaftskandiat John McCain mit Ehfrau Cindy McCain im Hintergrund. Bild: ap

Ironie kommt nie, geht eine gut abgehangene Journalistenweisheit. John McCain, der republikanische Präsidentschaftskandidat, setzte sich mit seinem Gastauftritt in der Comedy-Show "Saturday Night Live" leichthin darüber hinweg: "What do we want in our next president?", fragte er treuherzig in die Kamera und gab auch gleich selbst die Antwort: "Certainly someone who ist very, very, very old". Im August wird McCain 72 Jahre alt. Sollte er gewinnen, wäre er der älteste US-Präsident aller Zeiten.

Umso mehr Mühe gibt sich der Kandidat, in der Öffentlichkeit ganz besonders jugendlich und helle aufzutreten. So zirkuliert auf der Online-Videoplattform Youtube ein mittlerweile legendäres Amateurfilmchen, in dem McCain die Frage eines jugendlichen Wählers nach seinem problematisch hohen Alter mit seiner körperlichen Fitness und der guten Gesundheit seiner 96-jährigen Mutter Roberta beantwortet, um mit den Worten zu schließen: "Danke für die Frage, du kleiner Wichser."

Eine andere Weisheit lautet, der Mensch vertraue am ehesten darauf, was er mit eigenen Augen sehe. Und genau daran könnte McCain, aller erfrischenden Selbstironie zum Trotz, bei seinem Wahlkampf ums Weiße Haus scheitern. Denn der wird diesmal nicht nur erstmals vermittels werbender Youtube-Filmchen geführt werden - sondern auch durch das neue, hochauflösende TV-Format HDTV. McCains Problem: Bei Youtube sieht er eigentlich ganz normal aus, vielleicht wie 72, aber was macht das schon? Im Fernsehen dagegen - und da vor allem in HDTV - wirkt McCain eher wie ein 82-Jähriger, so faltig und vernarbt wirkt sein von Alter, Verwundungen und Hautkrebs-Operationen entstelltes Gesicht, dass daran selbst erfahrene Make-Up-Künstler scheitern. HDTV wirkt wie ein kosmetischer Vergrößerungsspiegel, da entgeht dem Zuschauer kein Mitesser, kein Pickel, keine Falte - und schon gar keine Narbe. Der Witz: Kein Politiker hat sich über die Jahre druckvoller für die Durchsetzung des HDTV-Formats in den Staaten eingesetzt als Senator John McCain. Dass heute schon etwa elf Prozent aller US-Haushalte hochauflösend fernsehen, ist allein sein Verdienst.

Nachdem die Regierung zuvor Milliarden in die Bereitstellung HDTV-kompatibler Frequenzen investiert hatte, war genau das McCains Aufgabe als Vorsitzender der US-Handelskammer. Seit 1998 geißelte er ausdauernd jene Sender, die sich bei der Umstellung auf die digitale Technik zu viel Zeit ließen; zugleich nannte er den 17. Januar 2009 als die vom Senat verfügte Deadline für die Abschaffung des analogen Fernsehens wiederholt "zu spät".

Heute gibt es kaum noch analoge Neugeräte zu kaufen, längst dominiert HDTV an den meisten öffentlichen Orten und ist oft schon für unter 1.000 Dollar zu haben. Nie waren Politikergesichter nackter als dieser Tage.

Es wäre auch nicht das erste Mal, dass ein Politiker über seinen eigenen Mangel an Telegenität stolpert. Gerne erinnert man sich in diesem Zusammenhang an eine der ersten TV-Debatten überhaupt, 1960 zwischen Richard Nixon und John F. Kennedy. Gegen den jugendlich-frisch wirkenden künftigen Präsidenten wirkte der schlecht rasierte Kandidat Nixon wie ein halbseidener Gebrauchtwagenhändler. Und ein Franklin Delano Roosevelt mit seiner Kinderlähmung konnte wohl nur Präsident werden, weil zu seiner Zeit das Fernsehen noch keine nennenswerte Rolle spielte.

Zwar mag jedem aufgeklärten Demokraten der Gedanke widerstreben, dass kein Wähler sich von etwas so Oberflächlichem wie der Optik eines Kandidaten beeinflussen lassen würde. Neueste Erkenntnisse der Gehirnforschung aber belegen, dass die meisten Menschen in Sekundenbruchteilen und allein anhand des Aussehens eines Politikers entscheiden, ob sie ihm trauen oder nicht - eine Entscheidung, die dann nachträglich erst von vernünftigeren Argumenten unterfüttert wird.

McCains Berater sind sich dieses Problems inzwischen offenbar bewusst. Zwar lässt sich die verheerte Gesichtslandschaft ihres Kandidaten weder überschminken, das sähe stets abstoßend maskenhaft aus, noch mit Mittelchen wie Botox wirksam verjüngen, was der demokratische Präsidentschaftsbewerber John Kerry peinlicherweise versucht hatte - der Schuss ging bekanntlich nach hinten los.

Stattdessen soll McCain künftig nur noch in solchen TV-Shows auftreten, die er früher einmal verurteilt hätte - weil sie HDTV noch nicht unterstützen. Schon positionieren seine Berater den Kandidaten bei Debatten strategisch so, dass seine besonders zerklüftete linke Wange nur selten zu sehen ist - das diene dann der "Gesamterscheinung".

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