Behinderten-Sport: Die Schnellen mit dem Handicap

Stars der Internationalen Behinderten-Meisterschaften treten am liebsten bei normalen Wettkämpfen an.

Oscar Pistorius ist da. Als er auf dem Parkplatz am Jahnstadion in Prenzlauer Berg aus dem dunklen Van steigt, ist von dem Südafrikaner allerdings nicht allzu viel sehen. Allein 30 Kamerateams aus sechs Ländern haben sich angekündigt, um den weltweit bekanntesten Behindertensportler zu beobachten. Der Südafrikaner ist zu den Internationalen Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften der Behinderten gekommen. Umlagert wird er von einem Pulk von Journalisten in Busstärke, unzählige Mikrofone recken sich ihm entgegen.

Im Stadion geht es bedeutend ruhiger zu. Konzentriert bereitet sich Matthias Schröder vom LAC Berlin auf den 100-Meter-Endlauf vor. Vom Medienrummel bekommt der Berliner nicht viel mit. Und neidisch ist er darauf auch nicht. "Pistorius bringt uns bei den Paralympics sicher hohe Einschaltquoten. Das ist nichts Schlimmes", erklärt der 25-Jährige ganz pragmatisch.

Pistorius ist unterschenkelamputiert. Unter seinen Knien trägt er federnde Karbonprothesen. Damit tritt er nicht nur gegen Behinderte an. Vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) hat er seine Startberechtigung für die Olympischen Spiele in Peking eingeklagt - mit Erfolg. Einen Wettbewerbsvorteil durch die Prothesen konnten die Richter nicht ausmachen. Das machte ihn weltbekannt. Seitdem versucht der 21-Jährige aus Pretoria sich auch sportlich für das olympische Rennen über 400 Meter zu qualifizieren. In Berlin hat das nicht geklappt. Er verfehlte die Normzeit um über 3 Sekunden.

Den hoch aufgeschossenen Berliner Matthias Schröder indes kennt kaum einer. Außer jene vielleicht, die sich sehr intensiv mit dem Behindertensport beschäftigen. Schröder läuft in einer Art sportlichen Parallelwelt. Erfolgreich, aber fast ohne mediale Aufmerksamkeit.

Im Alter von sechs Jahren blitzte es in seinen Augen. Die Netzhaut war geplatzt, Folge einer Erbkrankheit. Seitdem verliert der BVG-Angestellte langsam, aber stetig sein Augenlicht. Heute sind es gerade noch knapp zwei Prozent, die Schröder verblieben sind. 1996 wurde er noch Deutscher Jugendmeister in der 4-mal-100-Meter-Staffel, gemeinsam mit drei nicht behinderten Sportlern.

"Doch dann konzentrierten wir uns mehr und mehr auf den Behindertensport. Es ging nicht mehr anders", erklärt sein Trainer Lutz Kramer. Schröder gehört heute zu den fünf erfolgreichsten deutschen Leichtathleten mit Handicap. "Er hat Talent, ist diszipliniert und unheimlich ehrgeizig", erklärt sein Coach Kramer.

Matthias Schröder hat sich bereits vor den Internationalen Leichtathletik-Meisterschaften an diesem Wochenende für alle Disziplinen qualifiziert, in denen er in Peking antreten will. "Jetzt möchte ich die Zeiten eigentlich nur bestätigen", sagt er selbstbewusst. Im September wird er bei den Paralympics in China über die 100-Meter-, 200-Meter-, 400-Meter-Strecke und mit der 4-mal-100-Meter-Staffel antreten. Auch im Weitsprung hat er die Norm erreicht.

Was Oscar Pistorius nun anstrebt, das macht Matthias Schröder schon lange. Nur nicht bei Olympischen Spielen. Der Berliner startet bei mehr Wettkämpfen mit und gegen nicht behinderte Sportler als bei "echten" Behindertensportfesten. Nur nimmt das kaum jemand wahr. "In dieser Saison habe ich an drei Behindertensport-Events in Berlin und Brandenburg teilgenommen und an bestimmt fast 20 anderen mit normalen Sportlern", erklärt der Industriekaufmann. Der fast blinde Leichtathlet ist so stark, dass er gleichwertige Konkurrenz nur bei den nicht behinderten Sportlern findet. Die 100 Meter im Jahnstadion absolviert Schröder lin 11,19 Sekunden, seine Bestzeit über 200 Meter wurde bei der WM 2007 in Rio de Janeiro mit 22,27 Sekunden gestoppt, die 400 Meter bei 49,55 Sekunden. Wenn seine Zeiten noch etwas besser wären, würde der Berliner gerne bei den Olympischen Spielen der Nichtbehinderten starten. "Warum denn nicht? Nur weil ich blind bin und einen Nachteil habe, kann man mich doch nicht ausschließen", sagt er. TORSTEN HASELBAUER

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