Kommentar Guantánamo-Häftlinge: Die deutsche Verantwortung

Deutschland hat eine besondere Verantwortung gegenüber den Opfern von Verbrechen, für die ihr Territorium und ihr Luftraum genutzt wurde.

Es ist die humanitäre Grundverpflichtung eines jeden Staates, solchen Menschen Aufnahme zu gewähren, die anderswo politisch verfolgt oder gefoltert werden oder deren Leben gar bedroht ist. Darunter fallen die jetzt noch 270 von ursprünglich knapp 700 Männern, die von der Bush-Administration zum Teil seit über 6 Jahren in Guantánamo gefangen gehalten werden - ohne Anklage und rechtsstaatliches Verfahren, unter Verstoß gegen alle einschlägigen Bestimmungen des Völkerrechts und der US-Verfassung sowie gegen Urteile des Supreme Court.

25 dieser 270 Männer würde das US-Militär sofort freilassen, wenn sich nur ein Aufnahmeland fände. Denn in ihren Heimatländern droht den Männern erneut Haft, politische Verfolgung, Folter oder gar der Tod. Die Bundesregierung verweist darauf, dass die erste Verantwortung für die Aufnahme bei den USA läge, weil diese ja das Lager in Guantánamo betreiben.

Damit hat sie zwar recht. Doch wenn die Bush-Administration die Aufnahme in den USA aus innenpolitischen oder welchen Gründen auch immer verweigert, hat Deutschland eine besondere Verantwortung. Denn in mindestens 275 Flügen, die über deutsche Flughäfen auf deutschem Territorium oder durch deutschen Luftraum führten, haben die USA seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hunderte Menschen nach Guantánamo und in andere - bis heute zum Teil noch geheime - Gefangenenlager und Folterzentren verschleppt.

Der damalige Kanzleramtschef und Geheimdienstkoordinator, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, bestreitet jegliche Unterstützung der damaligen Bundesregierung für diese Verbrechen, die seit 2002 auch öffentlich bekannt wurden. Steinmeier will davon sogar erst 2005 aus der Zeitung erfahren haben. Das ist alles höchst unglaubwürdig. Wenn es stimmen würde, dann wäre Deutschland in den Jahren seit 2001 eine Bananenrepublik gewesen - und nicht der voll souveräne Staat, wie Steinmeiers Exchef Gerhard Schröder so gerne herauskehrte.

Doch selbst als Bananenrepublik hätte Deutschland eine besondere Verantwortung gegenüber den Opfern von Verbrechen, für die sein Territorium und sein Luftraum genutzt wurde.

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Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

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