Islamabad ringt mit den Islamisten: Vorsicht, Scharia!

Pakistans neue Regierung will den Krieg gegen Islamisten und Stämme beenden. Doch es gibt laufend Rückschläge.

Ein Selbstmordanschlag auf eine Polizistengruppe schockierte das Land Bild: dpa

DELHI taz Nach dem Selbstmordanschlag auf eine Polizistengruppe am Sonntag in Islamabad haben Sicherheitskräfte mit der Suche nach den Drahtziehern begonnen. Als Täter konnte gestern ein etwa 16-Jähriger identifiziert werden. Die Zahl der Opfer stieg nach offiziellen Meldungen auf 19, Medien sprachen von bis zu 21 Toten.

Der Täter hatte sich nach einer Kundgebung militanter Islamisten am Sonntagabend im Zentrum Islamabads neben den Polizisten in die Luft gesprengt. Extremisten aus dem ganzen Land waren zusammengekommen, um der Erstürmung der Roten Moschee in Islamabad vor rund einem Jahr zu gedenken. Damals hatten Polizei und Armee nach zweiwöchiger Belagerung die durch bewaffnete Islamisten gehaltene Moschee und ihre angeschlossene Koranschule gestürmt. Dabei starben rund hundert Menschen. Die Regierung ließ die Koranschule komplett abtragen. Die Moschee wurde seitdem zum Wallfahrtsort für Islamisten aus ganz Pakistan.

Der Krieg im Zentrum der Hauptstadt war der Höhepunkt im Konflikt zwischen dem Regime des Präsidenten-Generals Pervez Musharraf und den militanten Islamisten. Und es war der Beginn einer beispiellosen Serie von Gewaltakten der religiösen Extremisten. Bei Selbstmordanschlägen kamen seitdem rund eintausend Menschen ums Leben.

Zugleich leitete Musharraf eine Großoffensive gegen die Hochburgen der Islamisten im Nordwesten des Landes ein. Dazu hatten ihn vor allem die USA gedrängt, die Musharrafs Regime seit 2001 mit mehr als zehn Milliarden US-Dollar unterstützt hatten. Doch bei den Gefechten in der Bergregion starben auch immer wieder Zivilisten.

Ein Aufstand der Stämme im Bündnis mit den Milizen radikaler Kleriker gegen Islamabad war die Folge. Kein Tag verging ohne Aufnahmen getöteter pakistanischer Soldaten. Der seit jeher unbeliebte Krieg gegen die Islamisten im Nordwesten wurde in Pakistan untragbar.

Daher setzte sich die neue, seit Ende März amtierende Regierung in Islamabad zum Ziel, den Krieg dort zu beenden. Waffenstillstandsabkommen wurden unterzeichnet, die Armee zog sich weitgehend aus den Islamistengebieten zurück. Die Selbstmordanschläge hörten unverzüglich auf. Friedensverhandlungen mit den Stämmen und den Islamisten begannen, was diese mit Gewalt quittierten. Erst vor zwei Wochen töteten Anhänger des Führers der selbsternannten "Pakistanischen Taliban", Baitullah Mehsud, 22 Anhänger eines Stammes. Der hatte ein Friedensabkommen mit Islamabad geschlossen. Mehsud verteidigte die Morde als "Vorgehen gegen Kriminelle".

Wieder begannen Islamisten, ganze Landstriche unter ihre Kontrolle zu bringen. Entlang des Khyber-Passes, der die pakistanische Stadt Peschawar mit der afghanischen Hauptstadt Kabul verbindet, kam es zu Überfällen auf Lkw durch lokale Islamisten. Die Regierung in Islamabad startete vergangene Woche eine Großoffensive, sicherte die Region und zerstörte das Haus eines Islamistenführers. Die Botschaft: Islamabad wünscht sich eine Einigung mit den Milizen im Nordwesten, zögert aber nicht, militärisch gegen Unruhestifter vorzugehen.

Nun steht die neue Regierung in Islamabad von allen Seiten unter Druck: Die USA drängen, dass Pakistan seine Militäroperationen gegen die Islamisten wieder aufnimmt oder Einsätze US-geführter Truppen auf pakistanischem Territorium zulässt. Die Bevölkerung wünscht sich ein Ende der Anschläge in allen Teilen des Landes. Die Stämme im Nordwesten drohen, wieder zu den Waffen zu greifen, sollte Islamabads Soldaten wieder in ihre autonomen Gebiete einmarschieren. Schon droht neues Ungemach: Medien berichten, dass die "Pakistanischen Taliban" in ihren Gebieten Scharia-Gerichtshöfe einrichten, an denen Urteile gemäß islamischem Recht gefällt werden.

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