Konjunkturexperte über Ölpreis: "Der Ölpreis ist eine Chance"

Nach Ansicht des Konjunkturexperten Carsten-Patrick Meier hat Deutschland vom stetigen Steigen des Rohölpreises profitiert. Langfristig spiele der Preis keine Rolle.

"Schon seit acht Jahren steigt der Ölpreis kontinuierlich, aber die Deutsche Wirtschaft hat das bislang relativ gut weg gesteckt." : dpa

taz: Herr Meier, wie gefährlich ist das Ansteigen des Ölpreises für die deutsche Konjunktur?

Carsten-Patrick Meier: Die ehrliche Antwort ist: Wir wissen es nicht genau. Schon seit acht Jahren steigt der Ölpreis kontinuierlich, aber die Weltwirtschaft und die Deutsche Wirtschaft haben das bislang relativ gut weg gesteckt. Noch im Jahr 2000 hätten viele Ökonomen eine kräftige Rezession bei einem Ölpreis von 50 US-Dollar vorausgesagt. Die ist aber ausgeblieben.

Woran liegt das?

Es gibt eine Reihe von Gründen: Die Ölabhängigkeit ist geringer geworden, unsere Wirtschaft verbraucht heute trotz höherer Produktion deutlich weniger Öl als in den 70er- und 80er-Jahren. Zudem haben wir in der Lohnpolitik und der Geldpolitik dazugelernt: Anders als in den 70ern wachsen die Löhne nicht mehr automatisch durch einen Schub bei den Rohstoffpreisen. Höhere Löhne führten damals zu höheren Preisen, und beide schaukelten sich gegenseitig hoch. Die Europäische Zentralbank weiß um die Gefahr solcher Lohn-Preis-Spiralen und versucht sie bereits im Vorfeld zu verhindern, ohne die Zinsen zu erhöhen. Notfalls würde sie aber auch eine Rezession in Kauf nehmen, um die Inflationserwartungen zu brechen.

Die Weltwirtschaft kommt offenbar auch mit einem Ölpreis von 140 Dollar pro Fass zurecht. Ist das Problem vielleicht gar nicht so schlimm?

Es gibt ökonomisch plausible Überlegungen, wieso der Ölpreis über die lange Frist gesehen gar keine Rolle spielt. Das zeigen auch unsere Konjunktursimulationen am Computer. Schon heute hat sich das Wirtschaftswachstum in den meisten Industrieländern komplett vom Ölverbrauch entkoppelt. Letzten Endes ist der Ölpreis deshalb kein entscheidendes Problem, denn eines Tages werden wir auch ohne Öl klarkommen.

Es gibt da ganz andere Stimmen. Was macht Sie in Ihrer Analyse denn so optimistisch?

Ein hoher Ölpreis ist auch immer eine Chance. Zwar wird die Konjunktur eine Zeit lang darunter leiden, dass Verbraucher und Unternehmen ihre Gewohnheiten ändern und bestimmte Produkte nicht mehr nachfragen. Doch die Wirtschaft hat gelernt, ihre Produkte an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Wenn das Fass Rohöl 200 Dollar kostet, macht es noch mehr Sinn, in alternative Energien, Gebäudedämmung und Energieeffizenz zu investieren. Nach und nach wird sie ihren Ölbedarf verringern - und die Spritschlucker der Autofirmen werden aus den Katalogen verschwinden.

Wenn Sie es mit anderen Ländern vergleichen: Trifft die Preisexplosion beim Öl Deutschland besonders hart?

Die deutsche Exportwirtschaft hat in den vergangenen Jahren von den Einnahmen der Ölförderländer kräftig profitiert. Russland hat etwa sehr viel in die Ölfördertechnik und die Diversifikation seiner Wirtschaft investiert. Die Maschinen und Anlagen dafür wurden vor allem in Deutschland gekauft. Zudem steht ein großer Teil der Öleinnahmen dem Kapitalmarkt zur Verfügung und sorgt dafür, das Zinsniveau zu dämpfen.

Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass Deutschland durch die Rekordpreise in eine Rezession rutscht?

Je teurer das Öl wird, desto wahrscheinlicher ist eine kräftige konjunkturelle Abschwächung. Daraus kann kurzfristig auch eine Rezession werden. Viel mehr wissen wir aber nicht.

INTERVIEW: TARIK AHMIA

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