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Nach AKW-Panne in SüdfrankreichAtomaufsicht stoppt Unglücksanlage

Die Betreiber geben sich zu wenig Mühe, weitere Uranverseuchungen zu verhindern, sagt die französische Atomaufsicht. Auch die Informationspolitik lasse zu wünschen übrig.

Tricastin ist die zweitgrößte französische Atomanlage Bild: dpa

PARIS taz Vier Tage nach dem Uranunfall im südfranzösischen Atomzentrum Tricastin hat die Atomaufsicht ASN am Freitag einen Stopp der Unglücksanlage angeordnet. Gleichzeitig forderte sie den Betreiber Socatri auf, Sofortmaßnahmen für die Sicherheit der Anlage zu ergreifen. Die Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Uranverseuchungen seien unbefriedigend, erklärte die ASN nach einem Kontrollbesuch. Bei dem Unfall seien Verhaltensregeln nicht beachtet und die Behörden nicht schnell genug informiert worden.

Socatri ist eine 1974 gegründete Filiale des französischen Atomkonzerns Areva. Unter anderem reinigt sie Atomkraftwerke und entsorgt nuklearen Abfall, der auch aus Krankenhäusern stammt. Seit 2003 hat sie zusätzlich eine Genehmigung, um strahlendes Material zwischenzulagern. Zu den von Socatri bearbeiteten strahlenden Materialien gehören unter anderem Kobalt, Mangan, Uran, C14.

Bei der Inspektion der Anlage am Donnerstag hat die Behörde zahlreiche Anomalien festgestellt. "Die bisherigen Maßnahmen zur Verhinderung einer neuen Verschmutzung sind nicht komplett zufriedenstellend", so die Atomaufsicht. Die Behörde diagnostiziert zudem einen "schwerwiegenden Verfall" der Anlage. Unter anderem, so die keineswegs atomkritisch eingestellte staatliche Reaktoraufsicht, habe die Firma Risse in den Lagerbehältern für radioaktives Material "nicht rechtzeitig repariert" und Warnungen nicht ernst genommen.

Am späten Montagabend waren mindestens 75 Kilogramm Uran in Gewässer in der Umgebung der Anlage geflossen. Die Betreiber der Anlage hatten einerseits entwarnt, indem sie Zahlen über bereits stark gesunkene Strahlung in den umliegenden Gewässern veröffentlichten. Andererseits halten sie die Details über den Unfallhergang oder die Becquerel-Mengen, mit denen die Umwelt belastet wurde, geheim. Gleichzeitig haben unabhängige Forschungsinstitute und Medien erklärt, dass der Standort Tricastin bereits vielfach wegen undichter Stellen und seines fragwürdigen Umgangs mit strahlendem Abfall aufgefallen ist.

Örtliche Politiker, darunter der sozialdemokratische Regionalpräsident Michel Vauzelle, äußern sich "sehr beunruhigt" über die Gesundheit der Bevölkerung. Unterdessen galten Bade- und Angelverbot in der Umgebung der Anlage weiter.

Die Criirad, ein Labor von unabhängigen Atomforschern, das nach dem Atomunglück im sowjetischen Tschernobyl gegründet wurde, bereitet zwei Klagen vor. Die Criirad, so ihre Direktorin Corinne Castagnier, will die Socatri, eine Filiale des großen französischen Atomkonzerns Areva, wegen mangelnder Transparenz und langer Verspätung bei der Information der Behörden und der Öffentlichkeit verklagen. Auf deren Gelände war in der Nacht zu Mittwoch das Fass mit Uran übergelaufen. Die Socatri ist für die Reinigung von Uran zuständig.

Die zweite Klage richtet sich gegen die Areva NC, die ebenfalls auf der Anlage Tricastin unter höchster Geheimhaltungsstufe radioaktiven militärischen Müll entsorgt. Die Criirad hat durch anonyme Botschaften erfahren, dass die Areva NC seit mehr als drei Jahrzehnten mindestens 760 Tonnen strahlenden Militärmüll unter einem Erdhaufen auf dem Gelände aufbewahrt. Von dort kann die Radioaktivität direkt in den Boden sickern. Unter anderem wurde die Criirad durch einen Beschäftigten alarmiert, der berichtete, dass Wind und Regen die Erde von dem Müll gefegt hätten. Die Vorgesetzten hätten ihn aufgefordert, Erde über den strahlenden Müll zu schütten.

Tricastin ist die zweitgrößte - und eine der ältesten - französischen Atomanlagen. Auf dem großen Gelände zwischen den Départements Drôme und Vaucluse befinden sich unter anderem vier Reaktoren und eine Fabrik, in der Uran für Atombomben angereichert wird. Der größte Teil der Anlage funktioniert unter der Ägide der Areva. Die Reaktoren werden von den Elektrizitätswerken EDF betrieben.

Anwohner gehen in den Seen südlich von Tricastin gern baden. Erst zwölf Stunden nach dem Unfall wurde das Baden verboten. Ein Anwohner: "Nach Tschernobyl hat uns die französische Regierung gesagt, dass die Wolke an den Landesgrenzen kehrtgemacht hat. Wieso sollten wir dieses Mal die Wahrheit erfahren?"

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2 Kommentare

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  • TK
    Torsten Klaes

    Wenn die 75 kg Uran stimmen, ist das eine riesen Schweinerei. Die Menge reicht aus, um über 300000 Menschen zu vergiften. Und die Verdünnung ist keine Lösung, um Schwermetallvergiftungen zu verhindern.

  • FM
    Filip Moritz

    Ich finde die Berichterstattung und Diskussion in diesem Fall schon befremdlich. Wären ein paar Zigtausend Liter Cadmiumlösung mit einer entsprechenden Konzentration des Schwermetalls irgendwo in einen Fluß gelaufen, wäre es ein riesen Umweltskandal. Hier wird im großen und ganzen die Feststellung akzeptiert, die Strahlenbelastung sei ja nicht so schlimm. Daß die chemische Toxizität insbesondere von wasserlöslichem abgereichertem Uran bei weitem gefährlicher ist als die Strahlung und auch 75kg keine Kleinigkeit, scheint unbedeutend. Akute Schwermetallvergiftungen haben übrigens sehr ähnliche Symptome wie die Strahlenkrankheit und auch Schwermetalle schädigen das Erbgut ...