Kommentar Obama-Besuch: Im Schatten des Dr. Motte

Obama wird wohl an der Siegessäule eine Rede halten - ausgerechnet am langjährigen Austragungsort der Love Parade. Das Schöneberger Rathaus wäre angemessener gewesen.

Obamas Europa-Reise beginnt mit einer Bauchlandung. Vor dem Brandenburger Tor wollte er ursprünglich sprechen, doch damit ist er gescheitert - am Widerstand der Bundeskanzlerin, die sich über sein Ansinnen öffentlich "befremdet" zeigte. Noch mehr aber wohl am indirekten Druck aus Washington, wo man dem aussichtsreichsten Anwärter auf das Präsidentenamt den PR-Auftritt vor symbolträchtiger Kulisse missgönnte.

Obama wird jetzt mit der Berliner Siegessäule vorliebnehmen, um seine angekündigte Rede zu halten. Das aber ist eine schlechte Wahl. Denn so, wie das Brandenburger Tor für den Kalten Krieg und dessen Überwindung steht, ist die Siegessäule ebenfalls ein Symbol. Weltberühmt wurde sie als Austragungsort der Love Parade, die sich jahrelang um das Wahrzeichen schlängelte. Will Obama also in den Schatten von Techno-DJs wie Dr. Motte treten? Mit diesem Ort kommt er jedenfalls all jenen Kritikern entgegen, die in ihm mehr einen Popstar als einen Politiker sehen wollen und damit Ernst und politische Substanz absprechen. Hätte ihm das nicht jemand sagen können?

Das Schöneberger Rathaus, während der Jahre der Teilung das politische Zentrum des westlichen Berlins, wäre eine bessere Wahl gewesen. Immerhin sprach hier einst John F. Kennedy sein "Ich bin ein Berliner" - und wenn man die Wahl hat, auf Augenhöhe mit Kennedy oder mit Dr. Motte zu treten, sollte die Entscheidung eigentlich nicht schwer fallen. Andererseits hätte es ihm auch als Anmaßung ausgelegt werden können, so offensichtlich die Nähe zum charismatischen Vorgänger zu suchen.

Noch besser wäre es daher gewesen, wenn sich Obama in der deutschen Hauptstadt einen Ort gesucht hätte, der bislang noch nicht mit Symbolik überfrachtet ist. Doch, solche Orte gibt es. Der Gendarmenmarkt in Berlins historischer Mitte, der mit seinen klassizistischen Kirchen wie ein Postkarten-Abbild Europas wirkt, wäre so ein Platz gewesen, er hätte auch sicher schöne Fernsehbilder für die amerikanischen Wohnzimmer abgegeben.

Die werden nun von der Siegessäule kommen müssen. Und wenigstens zu Hause, in den USA, kann Obama darauf hoffen, dass dort kaum jemand den Unterschied erkennt.

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Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

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