Neues vom Doping aus China: Science ohne Fiction

Ist die Zukunft des Dopings Gegenwart? Ein ARD-Team bringt aus China Neuigkeiten vom Gendoping mit: "Olympia im Reich der Mittel" (21 Uhr).

"Auffrischungen des Erbguts" sind in chinesischen Krankenhäusern bereits Alltag. Deshalb werden vor den Olympischen Spielen gute Laufzeiten kritisch beäugt. Bild: NDR/DOKfilm Fernsehproduktion GmbH

Wer im Krankenhaus einen Arzt aufsucht, tut dies normalerweise nicht, um geschäftlich zu verhandeln. Hajo Seppelt, gemeinsam mit Jo Goll Autor der 45-minütigen Dokumentation "Olympia im Reich der Mittel", tat es dennoch - wenigstens zum Schein. Der Journalist ging einem Hinweis des kanadischen Sportmediziners und Exdopingkontrolleurs Mauro di Pasquale nach. Der hatte den ARD-Leuten berichtet, er wisse von Fußballern, Footballern und Athleten olympischer Sportarten, die "seit Jahren" in chinesischen Kliniken im Rahmen von Stammzellentherapien ihre Gene aufpeppen lassen.

Daraufhin nahmen die Filmemacher Kontakt zu einem der Krankenhäuser auf, wobei Seppelt sich als Trainer eines US-Schwimmers ausgab, der seine Leistung durch Stammzellenbehandlung verbessern wolle. In der Klinik, wo mit versteckter Kamera gedreht wurde, verspricht ein Arzt: Die zweiwöchige Behandlung sei "sicher" und könne die Lungenfunktion stärken. "40 Millionen Stammzellen, vielleicht das Doppelte", seien notwendig. Kostenpunkt: 24.000 Dollar.

Nach dem Verständnis der Welt-Antidopingagentur Wada handelt es sich bei solchen Eingriffen um Gendoping. Sollten derartige Auffrischungen des Erbguts auch in anderen chinesischen Krankenhäusern so leicht möglich sein, wäre das, "was bislang als Science-Fiction galt" (Jo Goll), längst Realität. Es sei bezeichnend, dass man nur eine Klinik aufgesucht und sofort ein Angebot bekommen habe, sagt Goll. "Ich möchte gar nicht wissen, was passiert wäre, wenn wir Kontakt zu vierzig, fünfzig Krankenhäusern aufgenommen hätten." Die für Schwerstkranke vorgesehene Stammzellenbehandlung als Therapie für Gesunde - ein originelles Kapitel in der Medizingeschichte.

Das Verhalten des Arztes sieht der als moralinsaurer Hardliner geltende Hajo Seppelt relativ nüchtern: "Ich will dem gar keine kriminelle Energie unterstellen. Der hat auf unsere Anfrage pragmatisch geantwortet und gedacht, er handele dabei ganz im Sinne seines Krankenhauses." Generell habe man bei den Recherchen in China festgestellt, dass "die Mentalität" vorherrsche, "alles zu tun, was dem Erfolg dient". Diese Einstellung sei "allen ethischen Maßstäben übergeordnet", und das sei, was Doping betrifft, der "graduelle Unterschied" zu anderen Ländern. In sieben Regionen waren die Autoren unterwegs, und mehrmals, ähnlich wie in der Klinik, erwies sich das Drehen mit versteckter Kamera als unumgänglich, etwa wenn sie das Dopingmittel Epo und das möglicherweise nebenwirkungsreiche Stereoid Estradiendione erwarben, um zu zeigen, wie leicht man an die Präparate kommt. Immerhin gebe es, so Seppelt, "erhebliche Fortschritte bei der Dopingbekämpfung" in der Volksrepublik, "acht, neun Fälle" seien 2008 öffentlich geworden.

"Olympia im Reich der Mittel" ist die vierte von elf Dokus, die die ARD im Rahmen ihres Chinaschwerpunkts zeigt. Sie könnte von der Diskussion um Doping bei der Tour de France profitieren, und das ist womöglich hilfreich. Denn dass die Zuschauer chinakritische Filme sehen wollen, ist nicht ausgemacht. Die ambitionierte, undercover gedrehte Doku "Todesangst in Tibet" erreichte kürzlich, ebenfalls montags um 21 Uhr, einen für ARD-Verhältnisse desaströsen Marktanteil von 5,5 Prozent.

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