Kommentar Azubis: Der begehrte Azubi

Wer Jugendlichen heute eine Chance geben will, der muss ihnen die Angebote passend zurechtschneidern.

Was wir derzeit am Ausbildungsmarkt erleben, stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten. Einerseits gibt es Lehrstellen im Überfluss, die Wirtschaft sucht händeringend nach jungen Schulabsolventen. Zugleich ist die Zahl der Jugendlichen, die dem Schicksal von Ungelernten entgegensieht, immer noch skandalös hoch. Noch nie waren die Chancen so groß wie heute am deutschen Lehrstellenmarkt - und zugleich auch die Risiken.

Der deutsche Facharbeiter war einst ein Star. Industrie und Handwerk gaben Abgängern mit mittleren Schulabschlüssen die Chance, einen anerkannten Beruf zu erlernen. Diese goldene Zeit endete freilich schon in den Siebzigerjahren der alten Bundesrepublik. Damals gab es für zigtausende Jugendliche zunächst viel zu wenig Lehrstellen. Viele haben sich nie davon erholt, dass ihnen die Eintrittskarte in die Gesellschaft verwehrt wurde. Heute gibt es hingegen in bestimmten Berufen und Regionen notorisch zu wenige Bewerber. Wer hätte sich träumen lassen, dass es selbst im Osten der Republik, wo die duale Ausbildung am Aussterben ist, zu wenig Schulabgänger geben würde?

Mit der neuen Unübersichtlichkeit ist aber auch die Zeit der uniformen Rezepte vorüber. Vor einiger Zeit konnten die Jusos noch mit einigem Recht eine Ausbildungsumlage fordern. Zugleich konnten die Handwerks- und Handelsbosse noch über die "dummen" deutschen Schüler lamentieren. Heute haben sie beide irgendwie recht. Das macht die Suche nach Rezepten vielleicht sogar einfacher.

Wer Jugendlichen heute eine Chance geben will, der muss ihnen die Angebote passend zurechtschneidern - und zwar regional. Das heißt, dass es den Unternehmen in den östlichen Boomregionen möglich sein sollte, auch aus Polen qualifizierte Zuwanderer für Azubistellen anzuwerben. Dafür müssen aber jene Regionen wie in Mecklenburg, die sich langsam entvölkern, staatliche Ersatzmaßnahmen für Bildungsarme anbieten. Diese sollten - anders als bisher - auch tatsächlich zu Berufsdiplomen führen. Überall in der Republik aber müssen die Hochschulen viel mehr Bewerber aufnehmen. Sonst drängen die Abiturienten in Jobs für Real- und Hauptschüler - und verdrängen diese in die Berufslosigkeit. CHRISTIAN FÜLLER

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