Kommentar Demorecht in China: Die andere Messlatte

Vom "Null-Spaß-Olympia" ist in westlichen Medien die Rede. Die Spaßerwartungen der Chinesen scheinen weniger getrübt zu sein als die der Beobachter.

Vom "Null-Spaß-Olympia" ist in westlichen Medien die Rede: von Pekinger Bars in der Nähe der Sportstätten, die aus Sicherheitsgründen schließen müssen; von ständigen Sicherheitskontrollen der Pekinger Polizei. Man spricht von denen, die nicht kommen können: ausländische Geschäftsleute und Studenten, denen die chinesischen Behörden kurzfristig keine Visa mehr erteilen. Und von denen, die vertrieben wurden: Bettler und Beschwerdesteller aus der Provinz. Dazu passt die Aufmerksamkeit, die man nun der neuesten Verlautbarung der Pekinger Behörden schenkt: Demonstriert dürfe nur in drei ausgewählten Stadtparks werden; zudem nur nach langfristiger Anmeldung und mit Genehmigung der Polizei. Stimmt es also, dass der Spaß und die Freiheit, die zum Spaßhaben gehört, bei den Pekinger Spielen verboten sein werden?

Es kommt auf die Perspektive an. Laut einer neuen Umfrage des amerikanischen Pew Global Attitudes Project glauben ungeheure 96 Prozent von über 3.000 Befragten, dass die Spiele in Peking für China ein Erfolg sein werden. Die Spaßerwartungen der Chinesen scheinen wesentlich weniger getrübt zu sein als die der meisten westlichen Beobachter. Warum?

Die westliche Erwartung, dass sich China mit den Spielen weiter öffnet und sich die Menschenrechtslage im Land verbessert, wird heute, im Moment der weltweiten Aufmerksamkeit, an den kleinsten Dingen gemessen. Etwa daran, wie nun die Demonstrationsfreiheit in jenen Parks während der Spiele gewährleistet sein wird. Oder daran, dass gerade wieder ein Dissident für die Spiele unter Hausarrest gestellt wurde.

Die Chinesen messen den Erfolg der Spiele anders. Sie haben in ihnen über die Jahre einen Impetus für die politische Führung gesehen, am allgemeinen Reform- und Öffnungskurs festzuhalten. 86 Prozent der Chinesen sind heute mit dem Kurs ihres Landes zufrieden, vor sechs Jahren waren es nur 48 Prozent, sagen die amerikanischen Meinungsforscher. Wie sie berichten, ist auch die Stimmung im Land. Es gibt viel Protest und Kritik, aber nicht gegen die Regierung in Peking und nicht gegen die Spiele. GEORG BLUME

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Georg Blume wurde 1963 in Hannover geboren und ist gelernter Zimmermann. Er leistete seinen Zivildienst in einem jüdischen Kinderheim sowie in einem Zentrum für Friedensforschung in Paris. Danach blieb Georg Blume in Frankreich und wurde Korrespondent der taz. 1989 wurde er Tokio-Korrespondent der taz, ab 1992 auch für die Wochenzeitung DIE ZEIT. Von 1997 bis 2009 lebte er in Peking, wo er ebenfalls als Auslandskorrespondent für die ZEIT und die taz schrieb, seit August 2009 ist er für die beiden Zeitungen Korrespondent in Neu-Delhi. Bekannt geworden ist Georg Blume vor allem durch seine Reportagen über Umweltskandale und Menschenrechtsverletzungen in China. Für dieses Engagement erhielt er 2007 den Liberty Award, mit dem im Ausland tätige Journalisten für ihre couragierten Berichterstattungen gewürdigt werden. 2012 wurde er mit dem Medienethik-Award META der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgezeichnet. Publikationen: „Chinesische Reise“, Wagenbach, Berlin 1998. „Modell China“, Wagenbach, Berlin 2002. „China ist kein Reich des Bösen“, Körber, Hamburg 2008.

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