Restriktives Ausländerrecht nicht EU-konform: Ohrfeige für Dänemarks Regierung
Dänemarks konservative und restriktive Bestimmungen zum Familiennachzug verstoßen gegen EU-Recht. Doch manche scheint das nicht zu kümmern.
STOCKHOLM taz | Bislang hat Dänemark das restriktivste Ausländerrecht in der EU. Das könnte sich ändern. Zahlreiche Bestimmungen, mit denen das Land hohe Hürden für den Familiennachzug aufgerichtet hat, sind unwirksam. Sie stehen mit EU-Recht und den Grundsätzen über die Freizügigkeit in der Union im Widerspruch.
Um zu seinem Partner oder seiner Partnerin - seien sie dänischer oder anderer Nationalität - nach Dänemark ziehen zu können, mussten beide bislang mindestens 24 Jahre alt sein. Es musste eine angemessen große Wohnung vorhanden sein und das Einkommen für den Unterhalt beider reichen. Das Paar musste eine Bankgarantie vorlegen und nachweisen, dass sein Bezug zu Dänemark intensiver als zu jedem anderen Land ist. Und ein "Dänentest" wurde eingeführt: Eine Sprachprüfung und Wissensfragen. Diese Bestimmungen führten dazu, dass viele Paare kurzerhand im benachbarten Schweden ins "Exil" zogen, wo es solche Beschränkungen nicht gibt.
Unwirksam seien solche Regelungen, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der vergangenen Woche (Az. 127/08). In einem Verfahren, in dem es um die Geltung irischen Rechts ging, traf das Gericht aber grundsätzliche Feststellungen: EU-Mitgliedstaaten haben danach keine eigene Regelungsbefugnis für den Nachzug von Familienangehörigen aus Drittstaaten. Die restriktive Linie im Ausländerrecht, mit deren Hilfe die konservativ-rechtsliberale Regierung die letzten beiden Wahlen gewonnen habe, erweise sich nun "als nichts anderes als ein optischer Betrug", kommentiert die Kopenhagener Zeitung Berlingske Tidende und spricht von einer "Bombe in der Ausländerpolitik". Die Opposition erhob schon Rücktrittsforderungen gegen Integrationsministerin Birthe Rønn Hornbech. Ihr wird vorgeworfen, Dänen nicht korrekt über ihre Rechte unterrichtet zu haben, obwohl ihr die EU-Bestimmungen bekannt gewesen seien.
Bolette Kornum vom Vorstand der Interessenorganisation "Ehe ohne Grenzen" freut sich "dass die EU nun endgültig aufgeräumt hat" und eine "siebenjährige Überwachung von Paaren durch den dänischen Staat, bei denen man immer mit unangemeldeten Besuchen rechnen musste, vorbei ist". Kornum beklagt aber zugleich, dass viele Menschen durch "haltlose Forderungen hereingelegt wurden" und Kopenhagen vor allem RentnerInnen und StudentInnen ins Ausland gezwungen habe, um mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner zusammenleben zu können. Man werde nun Schadenersatzklagen vorbereiten.
Die Regierung und ihr parlamentarischer Mehrheitslieferant, die rechtspopulistische Dänische Volkspartei, sind sich über die weitere Strategie uneinig. Während Integrationsministerin Rønn Hornbech zusagte, dem EU-Recht widersprechende dänische Regelungen "selbstverständlich" ändern zu wollen, fordern andere PolitikerInnen entweder zum Ignorieren oder zum aktiven Widerstand gegen Brüssel und die EU-Gerichtsbarkeit auf. "27 Richter in Luxemburg haben in Dänemark mehr Macht als das dänische Parlament", beklagt der EU-Sprecher der Dänischen Volkspartei Morten Messerschmidt. Und kritische Stimmen kommen nicht nur aus dem rechten politischen Lager. "Die fragliche Rechtsprechung steht ganz einfach außerhalb der Kompetenz des EU-Gerichtshofs", meint beispielsweise der Kopenhagener EU-Rechtler Hjalte Rasmussen: "Wir brauchen endlich eine internationale Debatte über das Verhältnis von Demokratie und Gerichtsbarkeit in der Union."
Leser*innenkommentare
beny
Gast
was meint ihr,wird dänemark das gesätz ändern??
Adrian
Gast
unglaublich lächerlicher Artikel, der Dänemark für eine sinnvolle Regelung im Ausländerrecht kritisiert, eine Tageszeitung als Kronzeugen nennt und das Urteil "zum irischen Recht" im eigenen Sinne uminterpretiert
Hambacher
Gast
"Dänemarks konservative und restriktive Bestimmungen zum Familiennachzug verstoßen gegen EU-Recht. Doch manche scheint das nicht zu kümmern. VON REINHARD WOLFF"
Warum sollte es sie kümmern? Damit sie auch so links-gleichgeschaltet mit einem "Hurra" auf den Lippen dem Untergang entgegenreiten, wie Sie es gerne hätten?
Lothar Wölfel
Gast
Wer gibt diesen EU Bürokraten und deren Richtern eigentlich das Recht sich laufend in die innersten Angelegenheiten eines Staates einzumischen?
Andreas Brecht
Gast
Es ist ein echter ein Grund zur Freude, wenn Dänemark dazu vergattert wird, bei Zwangsverheiratung und Sklavinnennachzug die Augen zuzudrücken.
Andreas Kolb
Gast
Dänemark IST ausländerFREUNDLICH. Eine gute Freundin von mir, eine chinesisch-stämmige Malaysierin (Christin) wird demnächst nach Dänemark ziehen, weil sie einen Dänen geheiratet hat. Sie wurde bereits von seiner Familie aufgenommen und wird sehr bald die Sprache meistern. Nun gut, sie spricht mindestens drei Sprachen und hat einen Uni-Abschluss. Sie wird sich integrieren, so wie es sein soll.
Der Verstoss gegen das sog. "EU Recht" ist irrelevant. Dänemark ist ein souveräner Staat.
Harald Blauzahn
Gast
Dänemark sollte standhaft bleiben. Und wenn alles nichts hilft, die EU verlassen. Man muß Prioritäten setzen.
Patrice
Gast
Naja, solche Entscheidungen der EU sind ein Grund, warum die Europäische Union äusserst niedrige Zustimmung bei der Bevölkerung der einzelnen Mitgliedsstaaten hat, wie man ja auch an den negativen Wahlausgängen bzg. der EU-Verfassung geht, sofern das Volk denn wählen durfte.
Friedrich Herberg
Gast
Das ist ein krasser Fall von Anmaßung. Selbstverständlich hat jedes EU-Land das Recht, diese Fragen selbst zu entscheiden. Das geht die EU einen feuchten Kehricht an.