Fluppe wieder erlaubt: Raucherpause

Im Norden darf wieder in Kneipen gequalmt werden - aber kaum für lange. Bis Ende 2009 müssen die Bundesländer ihre Gesetze überarbeiten.

Rauchende Zigaretten: Dürfen jetzt auch wieder in einige norddeutsche Kneipen mitgenommen werden Bild: dpa

Es darf wieder gequalmt werden. Das ist die Konsequenz aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe hat am Mittwoch entschieden, dass das Rauchverbot in Kneipen und Discos verfassungswidrig ist (siehe Kasten). Deshalb werden auch alle fünf norddeutschen Bundesländer ihre Anti-Raucher-Gesetze neu formulieren müssen. Der Deutsche Zigarettenverband erhob den Richterspruch sogleich zum "Grundsatzurteil gegen die Ausgrenzung von Rauchern". Auch Rainer Balke, Geschäftsführer des niedersächsischen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), pustete ordentlich durch: "Unsere leidgeprüften Mitglieder können aufatmen."

In ersten Stellungnahmen erklärten alle fünf Landesregierungen im Norden, das Rauchen in Kneipen sei ab sofort wieder gestattet. "In kleinen Eckkneipen darf auch ohne abgetrennten Raucher-Nebenraum bis auf weiteres geraucht werden, wenn sie in deutlich erkennbarer Weise als Raucherkneipe gekennzeichnet sind", sagte der Bremer Gesundheitsstaatsrat Hermann Schulte-Sasse.

Die niedersächsische Gesundheitsministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) kündigte in Hannover an, dass das Nichtraucherschutzgesetz in engen Grenzen außer Vollzug gesetzt werden soll. Wie das Gesetz bis Ende 2009 letztlich geändert werden soll, ließ sie aber offen. Möglich ist ein absolutes Rauchverbot in allen Lokalitäten oder aber eine Ausnahme für kleine Schankwirtschaften. "Als Gesundheitsministerin habe ich natürlich gewisse Sympathien für ein ganz striktes Rauchverbot", sagte Ross-Luttmann. Aber es müssten alle Interessen abgewogen werden.

Dehoga-Chef Balke verdeutlichte seine Interessen umgehend. Der Landtag in Hannover habe bereits im vorigen Jahr "eine Richtungsentscheidung getroffen", indem er das Rauchen in abgetrennten Nebenräumen zugelassen hatte, rief er in Erinnerung. "Weshalb der Gesetzgeber jetzt das Rauchen komplett verbieten sollte, wüsste ich nicht", so Balke. Der Hamburger Dehoga-Chef Gregor Maihöfer betonte, Karlsruhe habe das wirtschaftliche Existenzrecht von kleinen Kneipen und Diskotheken gestärkt.

Auch in Hamburg hätten Eckkneipen bis zu 80 Prozent Umsatzeinbußen hinnehmen müssen: "Wir gehen davon aus, dass rund 100 Kneipen bereits zugemacht haben." Diese Gefahr bestehe nun nicht mehr: "Das drohende Berufsverbot für Kleingastronome ist damit vom Tisch."

"Selbstverständlich" werde das Urteil der roten Roben "auch in Hamburg Beachtung finden", erklärte Gesundheitssenator Dietrich Wersich (CDU). Die entsprechenden Handlungsanweisungen an die sieben Bezirke, die in der Hansestadt ordnungsrechtlich für die Überwachung des Rauchverbots zuständig sind, würden umgehend angepasst. Auch Wersich betonte aber, dass "der Schutz der Nichtraucher vor den Gefahren des Passivrauchens wichtig und notwendig ist". Der Senator kündigte an, das Urteil genau zu prüfen, "um zu sehen, inwieweit Änderungen im Hamburgischen Passivraucherschutzgesetz notwendig sind". Dabei wolle er sich auch mit anderen Bundesländern abstimmen.

Er werde sich für konsequenten Nichtraucherschutz einsetzen, sagte der Gesundheitsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD). "Das Nichtraucherschutzgesetz gilt nach wie vor", sagte Sellering. Bei der Erhebung von Bußgeldern, die vom 1. August an in Mecklenburg-Vorpommern möglich ist, werde sich das Land aber bereits jetzt an den vom Verfassungsgericht bestimmten Ausnahmen orientieren.

Für eine bundesweit einheitliche Regelung zum Rauchverbot sprach sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) aus. "Zumindest auf der Ebene der norddeutschen Länder wollen wir dieses Ziel erreichen", erklärte Carstensen in Kiel. Klar ist dabei, dass ein "möglichst umfassender Nichtraucherschutz ohne Ausnahmen" erreicht werden solle, kündigte Gesundheitsministerin Gitta Trauernicht (SPD) an, die derzeit Vorsitzende der deutschen Gesundheitsministerkonferenz ist. Fürs Erste aber dürfe am Tresen wieder gequarzt werden.

Hocherfreut zeigte sich die Interessengemeinschaft Lübecker Wirte: "Wir freuen uns sehr über diese Entscheidung, die die Existenzsorgen der Inhaber kleiner Betriebe ernst nimmt. Die Gerechtigkeit hat gesiegt", sagte die Vorsitzende der Initiative, Rita Lo Prete, am Mittwoch. Der Anfang 2008 gegründeten Initiative gehören rund 60 Lübecker Gastwirte an. Drei von ihnen, darunter auch Lo Prete, hatten bereits Ausnahmeregelungen für ihre Einraumgaststätten vor schleswig-holsteinischen Gerichten erstritten.

Und auch eine vermeintlich nicht so weltliche Konsequenz hat der Karlsruher Richterspruch. Der Begründer der "Raucher-Kirche" in Kappeln bei Flensburg will seine "Religionsgemeinschaft" möglicherweise auflösen. "Ich werde zunächst abwarten, wie die schleswig-holsteinische Landesregierung die Gesetzgebung ändern wird", sagte Dirk Bruckner am Mittwoch. Um das Nichtraucherschutzgesetz zu umgehen, hatte der Gaststättenbetreiber 2007 eine Religionsgemeinschaft ins Leben gerufen. Seitdem gilt in seiner Kneipe das Verbrennen von Zigaretten als religiöse Handlung.

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