Schwarz-grüne Koalition in Hamburg: Ende der Flitterwochen

Nach der Schonfrist droht der schwarz-grünen Koalition in Hamburg ein heißer Herbst. Nach der Sommerpause stehen Schulpolitik, Haushalt und das Kohlekraftwerk Moorburg auf der Agenda.

Nochmal lächeln fürs Hochzeitsfoto: Christa Goetsch und Ole von Beust. Bild: ap

Es wird ungemütlich für die schwarz-grüne Koalition in Hamburg. Am kommenden Donnerstag wird sie 100 Tage im Amt sein, und damit endet gemeinhin die politische Schonfrist. "Die Zeit der Flitterwochen ist vorbei", stellt der mächtigste aller hanseatischen Wirtschaftsbosse fest. Frank Horch, Chef der Werft Blohm+Voss und Präses der Hamburger Handelskammer, schloss am Freitagabend vor dem Kammerplenum "einen heißen Herbst" nicht aus. Der "Lackmustest für das Verhältnis dieses Senats zur Wirtschaft" sei die im September anstehende Entscheidung über das Kohlekraftwerk Moorburg.

Der Bau des größten deutschen Steinkohlekraftwerks im Hamburger Hafen durch den Energiemonopolisten Vattenfall war im Koalitionsvertrag mit einem Formelkompromiss auf die lange Bank geschoben worden. Die Umweltbehörde solle nach Recht und Gesetz entscheiden, heißt es da - und die wird seit 7. Mai geführt von der Senatorin Anja Hajduk, zuvor grüne Parteichefin in Hamburg und Bundestagsabgeordnete, und zwei grünen Staatsräten. Sie hatten im Wahlkampf "den Klimakiller Moorburg" rundweg abgelehnt. Die Sorgen des Kammerpräses scheinen nicht unbegründet.

Vor allem aber in der Regierungspartei CDU mehren sich die Kummerfalten angesichts der Flexibilität ihrer Spitzenleute. Den Koalitionsvertrag ließ die Partei zwar im April noch ohne Debatte und ohne Gegenstimme passieren - immerhin hätte dies dem weiterhin unumstrittenen Bürgermeister Ole von Beust geschadet. Zwei Monate später watschte sie - ebenfalls wortlos - Parteichef und Finanzsenator Michael Freytag ab. Mit nur noch 73 Prozent erhielt er gleich 20 Prozentpunkte weniger als 2007: Freytag, der sich selbst als von Beusts Kronprinz sieht, wird zu dessen Wellenbrecher.

Freytag erhält die Quittungen, die eigentlich an von Beust gerichtet sind: Dazu zählen der Schwenk zu den Grünen, die als Teilamputation der Gymnasien verstandene Schulpolitik der grünen Bildungssenatorin Christa Goetsch, eine Verkehrspolitik, die Umweltzone und City-Maut debattiert sowie eine Haushaltspolitik, die Steuererhöhungen zum Löcherstopfen nicht mehr ausschließt.

Selbst aus der in den vergangenen vier Jahren der absoluten CDU-Mehrheit als Abnicktruppe verspottete Fraktion dringen Widerworte. "Steuererhöhungen sind unvertretbar", urteilt die Wirtschaftspolitikerin Barbara Ahrons: "Ich werde dem Senat dabei in keiner Weise helfen." Verkehrspolitiker Klaus-Peter Hesse mahnte jüngst "mehr Augenmaß" bei der Umsetzung der Fahrradförderung an, und der ADAC assistierte am Wochenende, die Instandhaltung von Straßen sei wichtiger als eine Verkehrsberuhigung durch Shared-Space-Projekte. Dabei entstehen aus Straße, Gehweg und Grünanlagen einheitliche Flächen, die alle Verkehrsteilnehmer gemeinsam nutzen können.

Für den neuen Fraktionsvorsitzenden Frank Schira wird die Luft bereits dünn. Selbst bei der Neufassung des Rauchergesetzes, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor zwölf Tagen erforderlich wird, gibt es keinen klaren Kurs. Deshalb schlug Schira am Samstag vor, bei der Abstimmung in der Bürgerschaft den Fraktionszwang aufzuheben. "Er bekommt seine Leute nicht auf Linie", spottete umgehend SPD-Oppositionsführer Michael Neumann, und selbst rauchende Abgeordnete aller Fraktionen lehnten es ab, den blauen Dunst zur Gewissensfrage zu erheben.

Zurzeit ist Sommerpause in Hamburg, und nach einem Dreivierteljahr Wahlkampf samt anschließender und auch bundesweit Aufsehen erregender schwarz-grüner Koalitionsverhandlungen gönnen sich alle Beteiligten Urlaub. Drei bis höchstens vier Mitglieder des zehnköpfigen Senats wechseln sich im Rathaus ab, und von Beust lässt von der Insel Sylt ausrichten, 100-Tage-Bilanzen interessierten ihn nicht, nach einem Jahr könne man darüber reden.

Der Fokus richtet sich somit auf die Sollbruchstellen, die in nicht mehr gar so ferner Zukunft anstehen. Am 28. August beginnt in Hamburg das erste Schuljahr ohne Hauptschule, denn die hat Schwarz-Grün bereits abgeschafft. Am 1. und 2. September tagt der Senat in Klausur über den nächsten Haushalt - und damit über die Fragen von mehr Schulden oder mehr Steuern. Und bis zum 10. September muss die Grüne Hajduk das Kohlekraftwerk Moorburg genehmigen oder nicht. Danach beginnt so oder so der heiße Herbst.

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